29/11/2024
Wo im Hochhaus-Quartier, Stuttgart Nord, die Mönchstraße in die Friedhofstraße mündet, steht eine Art Pavillon, eine alte Stube der arbeitenden Klasse: eine Waschküche mit Heißmangelstube. Dieses kleine Kuriosum findet man genau dort, wo am 4. Februar 1738 der Jude Joseph Süß Oppenheimer am Galgen hingerichtet wurde, ausgelöst und befeuert von wahnhaftem antisemitischem Hass.
Der Angeklagte, 1698 in Heidelberg geboren, galt als Finanzgenie, er arbeitete für den katholischen Herzog Karl Alexander. Als der Herzog 1737 unerwartet starb, wurde Oppenheimer verhaftet. Man warf ihm alles Unmögliche vor. Hochverrat, Bestechlichkeit, Schändung des protestantischen Glaubens, Sexualdelikte. Es folgte ein menschenverachtender Schauprozess ohne Beweise.
Als Oppenheimer auf Befehl des berüchtigten Herzogs Carl Eugen mithilfe eines zwölf Meter hohen Galgens ermordet wurde, feierten Tausende Schaulustige samt reichlich Militär ein ausgelassenes Volksfest bei Bier und Wein. Die Leiche wurde nach der Hinrichtung sechs Jahre lang in einem Käfig zur Schau gestellt.
Die Stadt Stuttgart tat viel zu lange nichts und dann nur wenig, um diese Geschichte öffentlich aufzuarbeiten. Zuletzt war Oppenheimer als zum Tode Verurteilter im Herrenhaus auf dem Marktplatz eingekerkert. Bis vor Kurzem stand an diesem Ort das Geschäft des Herrenausstatters Breitling. Der einstige Firmenchef Otto Breitling war – wie in der Nachbarschaft der Kaufhaus-Boss Alfred Breuninger – ein überzeugter N**i, der von Arisierungen profitierte. Nach dem Ende der Hitler-Diktatur konnte er – wie besagter Kollege – seine "gute Geschäftsposition" im "Verdrängungsklima nach 1945 trotz anfänglicher Schwierigkeiten sichern und weiterentwickeln", schreibt der Historiker Martin Ulmer in dem Buch "Stuttgarter NS-Täter". Jetzt wird dort, wo Oppenheimer in der Todeszelle saß, der Neubau für das Haus des Tourismus erstellt.
Lange hat es gedauert mit dem Gedenken der Stadt, dann kam der hässliche Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz, jetzt gibt es immerhin Informationen über den Mord.