Ein Brief aus dem Jahre 1987 – auf Schreibmaschine getippt – belegt den offiziellen Start des Cruiser: «Am 11. Januar 1987 haben wir – das sind Markus Christen, Thomy Schallenberger, Tony Vogt und Roger Staub – den Verein Cruiser gegründet. Wir wollen mit dem Cruiser eine regelmässige Publikation für Zürich und Umgebung schaffen.»
Die erste «reguläre» Ausgabe (die sich im Layout nicht von der «Nullnummer» unterschied) erschien im Februar 1987. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Cruiser. Er leistete sich von Anfang an eine Redaktion und bewies, dass ein Szeneblatt mehr sein kann als nur Kontaktanzeiger. Das war nicht immer einfach. Die Finanzierung hing von einer Handvoll Inserenten ab; in den Anfängen wurde in der Redaktion viel Freiwilligenarbeit geleistet – das ist auch heute noch so. Der Cruiser erschien vorerst unregelmässig alle paar Monate, scheinbar je nachdem, ob sich zahlende Inserenten fanden und die neben und ehrenamtlichen Redaktoren Zeit fanden.
Der Cruiser hat sich aber schnell etabliert. Er steigerte seine Auflage, wuchs über den Raum Zürich hinaus, erschien in monatlicher Frequenz und war damit bald der Konkurrenz voraus. Er kam dank fundierter und oft auch angriffiger, aufdeckender Berichte über die Szene oder Szenebetriebe bei den Lesern gut an. Das polarisierte aber und kostete ab und zu auch die Gunst der Inserenten. Die 30 Jahre Cruiser sind eine bewegte Geschichte: Die Formate und die Schriftzüge wechselten – wie man auf der Titelseite sehen kann – und auch die Personen, die daran gearbeitet haben. So ist dem Protokoll der ersten Generalversammlung des Vereins Cruiser zu entnehmen, dass Tony Vogt bereits nach einem Jahr seinen Austritt gab.
Der Cruiser wurde über Jahre unter dem Dach eines “nicht Gewinnorientierten Vereins” (sic!) geführt – was für den Kassier nicht immer einfach war. So findet sich denn im Mahnwesen auch eine Formulierung wie: «Da wir am Cruiser nichts verdienen wollen, haben wir auch kein Geldpolster. Wir sind auf die speditive Zahlung unserer Inserenten angewiesen. Darf ich Sie bitten, Ihre Zahlung baldmöglichst zu begleichen.» Die Vereinsform verlangte natürlich von allen aktiv Mitarbeitenden viel Einsatz und Freiwilligen-Arbeit. Nach Jahren erst wurde der Verein aufgelöst und der Cruiser stufenweise in andere Geschäftsformen und Besitzverhältnisse überführt.
Der Cruiser erfuhr vor allem in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre Berg und Talfahrten. Wechsel an der Redaktionsspitze und in der Administration brachten eine gewisse Unruhe mit sich.
Richtig professionell wurde der Cruiser dann mit der Übernahme von Martin Ender, der den Cruiser bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2017 massgeblich prägte
Der Erfolg des Cruiser rief natürlich auch schnell Neider auf den Plan: Cruiser sei zu kommerziell, hiess es bereits aber der dritten Ausgabe. Roger Staub dazu im Editorial von 1987: «Wir wollen uns nicht bereichern, der Cruiser ist ein unkommerzielles Blatt, allfällige Gewinne werden wir für die Verbesserung der Gestaltung und des Umfangs reinvestieren. Wir wollen vielmehr einen Beitrag leisten, dass unsere Szene ein eigenes Forum erhält (…)»
Roger Staub war (und ist) eine zentrale Figur in der Szene: 1985 war er Initiant und Mitbegründer der Aidshilfe Schweiz und erkannte schnell, dass der Cruiser das ideale Publikationsorgan in Sachen Prävention rund um HIV und AIDS sein konnte. Im Gespräch mit dem Cruiser erinnert sich Roger Staub: «Ich selbst war nicht wirklich auf der damaligen Cruiser-Redaktion anwesend. Viel mehr trug ich relevante Informationen zusammen und schrieb meine Artikel – damals noch auf Schreibmaschine. Die Artikel habe ich dann abgeliefert und diese wurden entsprechend abgedruckt. Es war ja noch die Zeit vor Internet und daher war die Szene um sämtliche News rund um die Krankheit dankbar – die meisten Infos kamen direkt von Konferenzen und Kongressen aus den USA und wir sorgten dafür, dass die neuen Erkenntnisse zeitnah auch bei uns publiziert wurden. Dafür war der Cruiser natürlich ideal.»
Eine spannende Zeitreise
Der Cruiser war von Anfang an eine Gratis-Publikation für die Leser und musste somit einzig über Inserat-Einnahmen finanziert werden. Auf der Inserenten-Liste von damals stehen Namen, die man heute noch kennt, aber auch Betriebe, die verschwunden sind. Es waren vorwiegend Bars, Clubs und Shops aus Zürich: Restaurant Barfüsser, Babalu, Bagpiper,
Grotto-Bar, Trübli, Club Hey, Les mains bleues, Macho men’s shop, Relaxclub, Moustache, P***y cat, Predigerhof, Tip Top, Sauna Alexander, Spot25, T&M, Wy Not.
Effektiv eine Zeitreise macht man mit dem Cruiser, wenn man die verschiedenen Rubriken etwas genauer anschaut: Sehr beliebt (und nie wirklich erfolgreich) war über die Dekaden immer wieder der «Cruiser Boy des Monats». Entweder haben sich Stricher beworben, es hat sich gar niemand beworben oder dann mussten die armen Jungs von der Redaktion quasi zum Fotoshooting genötigt werden. Siehe der mässig fröhlich dreinschauende «Cruiser-Boy» auf dem Bild von 1991. Kocherei war auch immer beliebt – meistens blieb es bei einem Versuch, eine Kochseite auf die Beine zu stellen: Es wurden wohl Rezepte eingesandt, aber irgendwie hatte niemand von der Redaktion dann Zeit & Muse, die Kochtipps auch umzusetzen .
Der heutige Cruiser ist wieder politischer, konzentriert sich auf seine Aufgabe als “Sprachrohr” für schwule Männer und die ganze LGBTI* Community und bewegt direkt und indirekt mit Top-Journalistinnen und Journalisten und Medienschaffenden bzw. deren Stories. 10x im Jahr im bewährten Printformat.