30/05/2023
Magnetizdat DDR-Review in Bad Alchemy #120:
Wie das ZONIC Spezial "Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979 - 1990" (2006), herausgegeben und kuratiert von Alexander Pehlemann, Bernd Jestram, Bert Papenfuß, Ronald Lippok u.a. in Koproduktion von Pom-Lit.de, Verbrecher Verlag & ZickZack, ist das ein erneut von Pehlemann und Ronald Galenza (dem einst selber JÄHzornigen Musikredakteur und DJ Electric, Jg. 1961) zusammen mit Robert Mießner (Zuhörer und Aufschreiber für taz, DLF Kultur, Ventil & Verbrecher Verlag..., Jg. 1973) initiierter Rückblick. Mit 44 Hörbeispielen, wobei der BlickPUNKt anders als bei „Too Much Future Punkrock GDR 1980-1989“ (ICR 001, 2020) stilistisch offener ist: In O-Berlin B. Jestram (der '86 ausreisen konnte) mit Der Schwarze Kanal, Aufruhr zur Liebe, R. Lippok (von '95 bis 2015 To Rococo Rot) mit The Local Moon, gemeinsam in Rosa Extra, Ornament & Verbrechen (und Tarwater), Thomas Wagner als Herr Blum und mit Tom Terror & Das Beil, der Trommler Jörg Beilfuß mit auch noch Teurer denn je und Der Expander des Fortschritts, Jörg Thomasius krötenkrautig mit Das Freie Orchester und als er selbst, der 'Schmetterlingspunk' Robert Sakrowski (der Netart-Datenbankier und Kurator wurde), Florian Merkel mit Karl-Marx-Stadt Studio Big Band, Knut Baltz Formation, Die Gehirne, ebenda Die Arroganten Sorben und Die Sorbischen Partisanen, Flake Lorenz (seit '94 Keyboarder von Rammstein) mit Flake und Piet und mit Matthias" BAADER Holst in Frigitte Hodenhorst Mundschenk, Thomas Noack in Leipzig als N.O.R.A. alias TN und mit 6 aus 49, ebendort Neu Rot und Klaus-Peter John mit The Oval Language, Frank Bretschneider (AG. Geige, danach mit IDM auf Rastermusic, Mille Plateaux und Raster-Noton) mit dem Lyriker Ch. Hecke (Radjo Monk) & Robert Linke(damals IM, inzwischen Weltfluchthelfer und Komponist von Arbeitslosenopern) bzw. in Heinz & Franz, Michael Dubach mit seiner eindrucksvollen Stimme und die Brüder Wrede in la deutsche vita, Gabriele Stötzerallein und mit Erweiterter Or****us, die Texter Bert Papenfuß, Holst (der 1990 unter eine Straßenbahn geriet), Stefan Döring, Leonhard Lorek und Peter "ScHappy" Wawerzinek (vom Schluckspecht zum Stadtschreiber geworden, der 2010 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann)... Die schneidige Gitarre von Detlef "Deo" Buschkowski (bei Elektro Artist), der On-U-Sound und das Fehrbellinerische bei O&V, Holsts 'Uterussisch', die zerbaltzte Version von 'Brüder, zur Sonne', 'Das XX. Jahrhundert' im Zeitraffer bei TN, die Imaginäre Folklore von Die Sorbischen Partisanen, la deutsche vita mit eingedeutschtem Rimbaud..., all das blieb ein weißer Fleck, doppelt schändlich für einen, der Hic sunt leones als Lockruf, nicht als Abschreckung verstand. DDR-Jazz war zwar schon 1985 auf dem BA-Radar, Russian Jazz ein früher Dauerbrenner, der CZ-Underground präsent, doch Thomasius war 1993 (!) der Erste mit Magnetizdat-Vergangenheit. Eh zu alt, um mich von Punk und Wave mitreißen zu lassen, kam noch eine Aversion vor allem Deutschen hinzu. Durch die Einstürzenden Neubauten und Cassiber drehte sich der Wind und öffnete die Ohren für Lask, The Blech, P16.D4, HNAS, Cranioclast, Uludag, Asmus Tietchens, Maeror Tri, die Hausmusik-Szene und auch hin zu Tarwater und To Rococo Rot. Mießner schreibt hier mit seinen insiderkenntnisreichen Schlaglichtern auf jede Band, jedes Projekt, jedes Stück nochmal Geschichte: Über die agitatorische Sendereihe 'Der schwarze Kanal' und am Gegenpol 'Parocktikum' beim Jugendradio DT64, den DDR-Singbewegungs-Hit 'Wir singen schon heute die Lieder von morgen', die Damenbinde Rosa Extra. Über poetische Zwitschermaschinisten, die für die Stasi spitzelten, Dichter, Maler, Anti- und Über-Künstler als Selbstverwirklichungsstrategen, avancierte Architekten von Nischenexistenzen, raumkranke Wortspieler. Über Leser von Heiner Müller, Jules Verne und des SF-Comics „Valerian und Veronique“ und Kenner von Wilhelm Reich, Georges Bataille, Alfred Loos oder Beuys, die in Komplexbrigaden und als Benutzer des Unwortes 'Ich' zur Planübererfüllung neigten. Über seltene Besitzer von Vierspurgeräten, Zeitschriften, die 'Sowjetfrau', Kneipen, die 'Mittelpunkt der Erde' hießen und einen Fortschritt, der sich hinzog bis zur Frage: „Wer bezahlt den Grabstein?“. Dieser Text über das denkwürdigste ostdeutsche Volksvermögen, der die Protagonisten übrigens anekdotisch verhäkelt zeigt mit Conny Bauer, Dietmar Diesner, ReR, ist ja fast selber so 'mindblowing' wie das, wovon Mießner spricht. [BA 120 rbd]