04/06/2024
»Bremer Denkwürdigkeiten«
Ein illustriertes Stadtbuch von Johann-Günther König
Humboldt-Buchhandlung
Bremen – Ostertorsteinweg 76
Donnerstag, 23. Mai 2024, 19:00 Uhr
Ein Lesungsbericht von Monika Sattelberg
Die kleine Buchhandlung im Viertel – als serviceorientiert, kompetent und freundlich bekannt – musste an diesem Abend improvisieren, um jedem Gast eine Sitzgelegenheit anbieten zu können. Inhaberin Anja Köster hieß das Publikum zur Buchpremiere herzlich willkommen – ebenso Manuel Dotzauer vom Kellner-Verlag und Verleger des angekündigten Buches. »Auf ein kleines logistisches Problem muss ich leider hinweisen. Die Lektüre ›Bremer Denkwürdigkeiten‹ liegt hier heute bedauerlicherweise nicht vor. Ihr Interesse zum Erwerb, einschließlich Signatur, nehmen wir jedoch gern entgegen und senden Ihnen das Buch selbstverständlich zu. Danke für Ihr Verständnis. Ich wünsche Ihnen dennoch einen unterhaltsamen Abend.«
Bevor Johann-Günther König ebenfalls die Anwesenden mit einem freundlichen Gruß willkommen hieß, wurden in der Runde alkoholfreie Getränke und Snacks angeboten.
»Mehr als 40 Bücher, überwiegend Bremensien habe ich bisher verfasst«, verriet er und zeigte auf eine Auswahl der ausgelegten Exemplare vor ihm. Nach dem Buch ›Pünktlich wie die Deutsche Bahn‹ ist eine neue Ausgabe zum Thema Bahn mit dem Titel ›Anschluss verpasst‹ in Arbeit, kündigte er an.
»Meine Idee zu ›Bremer Denkwürdigkeiten‹ war, kurzweilig Ereignisse und Dinge der Stadt – die Historie ebenso wie die Gegenwart betreffend – zu beleuchten.«
Er schilderte, wie aus der Hansestadt und der Seestadt Bremerhaven das Bundesland Freie Hansestadt Bremen entstanden ist, berichtete über Plätze, von Häusern und Kellern, den Parks, von Deichen und Häfen, der Überseestadt und Überseeinsel … Er erinnerte an Besuche von Persönlichkeiten und untermalte diese mit Annekdoten.
Was ist typisch bremisch? Der Autor klärte auf: Von »Beck’s-Spitzen-Pilsener von Welt« über »dreimal ist Bremer Recht« und den »Tagenbaren«, dem Zusammenhang zwischen den »Sieben Faulen« und Goethes Zitat: »Was nicht ist, es kann ja noch werden« …
So unterhielt er auf spannende Weise das Publikum mit Erzählungen, Bedeutungen von Redewendungen und bremischen Erfolgsgeschichten aus seinem Buch und verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine seiner Herausgaben ›Diese Stadt ist echt, und echt ist selten‹ – eine Liebeserklärung an Bremen und Bremerhaven.
Ebenso erwähnte der Autor die deutsche Schriftstellerin Lene Voigt, bekannt auch für ihre sächsische Mundart. »Bremen sehen und lieben …« soll sie bei ihrer Ankunft im Juni 1929 am Bremer Hauptbahnhof gesagt haben.
Und wo gab es einen Nobelpreisträger? Wer nach Bremen zugezogen und sich für die Geschichte der Stadt interessiert, erfuhr an diesem Abend auch etwas über den 1858 in Bremen geborenen Ludwig Quidde – Historiker, Pazifist und Kriegsgegner. »Sein Abitur absolvierte er 1876 am ›Alten Gymnasium‹ in der Bremer Innenstadt«, berichtete der Autor. Obwohl er viel herumgekommen ist, soll er einmal geäußert haben: »Ich habe nie aufgehört, mich Bremer zu nennen.« Quidde erhielt 1927 den Friedensnobelpreis. Ein vergessener Bremer? In der Hansestadt wurde eine Straße nach ihm benannt.
»Apropos Bremer: Manch einer unter ihnen legt mehr Wert darauf, nach dem Ortsteil benannt zu werden und bezeichnet sich als Finndorfer, Lilienthaler, Hemelinger.« Auf die Frage an den Autor, der im Viertel wohnt, als was er sich bezeichnen würde, war die klare Antwort: »Als Bremer!«
Mit dem wohl bekanntesten Wahrzeichen der Hansestadt, den ›Bremer Stadtmusikanten‹ – die Bremen nie erreichten –, was ›Till Eulenspiegel‹ mit Bremen zu tun hat und andere Historien erheiterte der Autor die Zuhörerschaft. Nicht unerwähnt blieben auch die steinernen Zeugen bürgerlicher Selbstbestimmung, das Rathaus und der Roland. Sie wurden 2004 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Darauf sind Bremerinnen und Bremer zurecht stolz.
Am Anfang seiner Lesung verkündete der Autor: »Heute ist ein besonderer Tag«. Am 23. Mai 1949, vor 75 Jahren, wurde – wie alle wissen – das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet. Erwähnenswert an dieser Stelle ist jedoch auch, dass zuvor Wesermünde, damals eine kreisfreie Stadt in der preußischen Provinz Hannover, 1947 in das Land Bremen eingegliedert und in Bremerhaven umbenannt wurde. Worauf die Verkündung der Bremer Landesverfassung bereits 1947 erfolgte. Sie enthielt schon zu dieser Zeit klassische Grundrechte und Grundpflichten, wie sie auch im heutigen Grundgesetz stehen.
»Rückblick ist immer schöner«, gab der Autor im Anschluss an seine Lesung zu verstehen. Wachsende Unzufriedenheit, Vermüllung öffentlicher Räume, Beschmutzung von Gebäuden – auch mit N***symbolen – verfestigte Armut, unzureichende Bildungspolitik …
Johann-Günther König gedachte in diesem Zusammenhang Josef Kasteins – 1890 ebenfalls in Bremen geboren, 1935 nach Palästina ausgewandert. Er war ein deutsch-jüdischer Schriftsteller und Jurist. In seinem Buch ›Was es heißt, Jude zu sein‹, beschreibt dieser eine jüdische Kindheit in Bremen vor über 100 Jahren. Die Frage nach ›Abgrenzung‹ gegenüber anderen im Text zieht sich wie ein roter Faden … bis in die heutige Gegenwart. In den 1930er-Jahren war Kastein weltweit bekannt. »In seiner Heimat geriet er leider in Vergessenheit …«, so der Autor.
Auf unterhaltsame Weise zog Johann-Günther König seine Gäste in den Bann, machte neugierig auf seine litararischen Herausgaben, in denen er sich seit den 1980er-Jahren überwiegend kulturhistorischen und politökonomischen Themen widmet – und auf sein neuestes Werk!
Bremerinnen und Bremer, die viel für die Hansestadt geleistet haben, hob er in seinen Erzählungen heraus. Doch über den Autor erfuhr die Zuhörerschaft an diesem Abend wenig. Umsomehr lohnt es sich in Erfahrung zu bringen, welche vielschichtige Person sich hinter dem Schriftsteller verbirgt.
Ein erfrischender, anregender und amüsanter Leseabend ging zu Ende.
Hoffentlich, bis bald!
Fotos: Monika Sattelberg
Hier geht’s zum Buch: >>>https://www.kellnerverlag.de/bremer-denkwurdigkeiten.html