01/09/2018
Guter Text von Feine Sahne Fischfilet zur Montag anstehenden Demo in Chemnitz und den grundlegenderen Problemen...
Ein paar Gedanken zu Montag
Selbstverständlich werden wir Montag viele Leute in Chemnitz. Das ist schön. Es kann jedoch nicht nur darum gehen, Montag dort hinzufahren, ein nettes Selbstbestätigungsfoto auf Instagram, Facebook, wo auch immer zu posten und zu sagen , sondern es geht darum, dass man auch mal ernsthaft checkt, dass Faschos keine kleine Randgruppe sind und dass die Mitte der Gesellschaft kein Problem mehr mit rechtsradikalen Positionen hat.
Genauso ist es klar, dass nach Montag die Welt nicht in Ordnung ist. ist in Sachsen selbstverständlich kein Fakt. Aber wo ist es das auch? Bei uns in Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls auch nicht in jedem Ort. Wir kennen das Gefühl, punktuell mal allein zu sein, sich zu denken „Alter, hier geht gar nix mehr“. Und dann stehst du in Ueckermünde mit 20 Leuten einem Naziaufmarsch gegenüber.
Wir müssen begreifen, dass es da noch was anderes gibt außer der hippen Großstädte. Dass es da auch noch geile Leute in den Provinzen und Kleinstädten gibt, die man nicht damit supportet, dass man irgendwo irgendwat ins Social-Media haut. Die man nicht dadurch supportet, dass man sich selber geil fühlt und sagt „Baut einen Zaun um die alle“. Die man nicht dadurch supportet, dass man nur ein „FCK NZS“ Shirt durch Kreuzberg trägt und eigentlich nen Fick darauf gibt, was 2 Stunden weiter entfernt außerhalb seiner Wohlfühlzone passiert. Die man nicht dadurch supportet, dass man nur schlau quatscht, aber schlussendlich nie den A***h hochbekommt! Und wir reden hier nicht nur über Sachsen. Das, was grad in Sachsen passiert, kann nächste Woche auch in irgendeinem anderem Bundesland passieren. Das wissen wir sehr gut, wir kommen aus Rostock und die Pogrome in Lichtenhagen von 1992 haben sich gerade erst gejährt.
Genau deshalb ist es umso wichtiger, da nicht zu verbittern, sondern Leute genau dafür zu sensibilisieren. Wir haben aber auch keinen Bock, da die ganze Zeit nur nen moralischen Zeigefinger zu heben, rumzuheulen und zu erzählen, wie schlecht die Welt ist. Deswegen spielen wir Konzerte in den Provinzen und machen Kampagnen wie mit „Noch nicht komplett im A***h“, oder dem "Wasted in Jarmen". Es ist schön zu wissen, dass es auch noch viele weitere KünstlerInnen und Initiativen gibt, die ebenso immer am Start sind. Allen weiteren Acts, Einzelpersonen, Firmen und Initiativen, auch PolitikerInnen, die sich jetzt das erste Mal melden und durch Chemnitz sich öffentlich gegen N***s positionieren, sei gesagt, dass das Jahr noch 364 weitere Tage hat und das es auch noch zig andere Städte, Dörfer und Projekte in Deutschland gibt, die sich darüber freuen, wenn man sie in ihren Aktionen gegen den Rechtsruck unterstützt, auch wenn es gerade keine Öffentlichkeit gibt.
Genau deshalb sind wir auch bei dabei. Uns braucht niemand erzählen, dass danach nicht alles rosig ist. Und dass es selbstverständlich nicht ausreicht, das sollte allen klar sein. So ein Konzert ist toll. Es kann aber nicht alles sein. Aber wir finden es ernsthaft genial, dass sich innerhalb kürzester Zeit so viele verschiedene Bands und KünstlerInnen zusammengefunden haben, dabei sind und so Aufmerksamkeit genau darauf lenken. Um den Leuten zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Dass es uns nicht scheißegal ist, wenn hier im Jahre 2018 wieder Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft gejagt werden. Dass es uns nicht scheißegal ist, wenn man das Gefühl hat, dass die sächsische Politik nicht erst seit gestern versagt, sondern antifaschistisches Engagement seit Jahren kriminalisiert und so ein großer Teil des Problems ist. Dass es einem nicht egal ist, wenn Leute von irgendwelchen A***hlöchern abgestochen werden. Dass es einem genauso nicht egal ist, wenn so ein Mord von irgendwelchen Rassisten zum Anlass genommen wird, auf Menschenjagd zu gehen. Dass es einem nicht egal ist, dass es da auch noch geile Leute gibt, die immer wieder den A***h hochkriegen und sich den Neonazis in den Weg stellen.
stimmt nicht überall. Das ist ein Fakt. Für 364 Tage im Jahr trifft das ganz einfach in Sachsen nicht zu. So ist es bei uns und so ist es in jedem anderen Bundesland.
Was ganz bestimmt auch nix bringt, gegen die Leute rumzudüsen, die ihren A***h am Montag nach Chemnitz schleppen. Man kann alles zerlabern, man kann gewisse Chancen aber auch mal nutzen und sich nicht nur in seiner Selbstgefälligkeit verlieren. Klar werden viele Leute wegen der Konzerte kommen. Nichts daran ist schlimm. Es ist nicht scheiße, wenn dort Leute das erste Mal zu einer Aktion kommen, die sich unter dem Motto „ - Aufstehen gegen rechte Hetzte“ zusammenfindet, sondern es ist der Oberknaller, wenn dort junge Leute, Unentschlossene bzw. Menschen, die sich bisher nicht getraut haben auf die Straße zu gehen, hinkommen.
Es geht darum, endlich mal aus dieser Schockstarre rauszukommen. Einige Leute tun so, als ob die Welt fast untergeht. Tut sie jedoch nicht. Die Neonazis labern die ganze Zeit davon, wie viele sie sind, dass ihnen die Straße gehört. Wenn am Montag da 10000 Leute zusammenkommen und es auch nur für einen Tag schaffen, dem Rassistenmob zu zeigen, dass es da noch Leute gibt, die ihnen die Straße streitig machen, dann ist das der Hammer. Nur dabei darf es aber nicht bleiben, das kann nur ein erster Anfang sein. All die Bands würden sich sicherlich nen A***h abfreuen, am Montag chillen zu können. Und wenn man das Gefühl hätte, dass da 10000 Leute durch Sachsen laufen und sich dem Mob entgegenstellen, dann würden wir das hart feiern. Aber solange die Verhältnisse sind wie sie sind, hat man sein Privileg zu nutzen. Cool, dass es andere Bands auch so sehen.
Es geht auch nicht darum, irgendwelche scheiß N***s oder Leute, die diese heimlich oder auch lauthals beklatschen, umzustimmen. Die Geschichte hat gezeigt, dass die Diskussion mit N***s nichts bringt. Es geht darum, die coolen Leute vor Ort zu supporten. Es geht darum, Kids, Alte, Junge, Anzugsträger, Leute aus den verschiedensten Subkulturen, Normalos, Studenten, Prolls zu erreichen und zu zeigen, dass hier noch was geht. Und wenn auch nur ein kleiner Teil danach auch für nächste Gegenproteste den A***h hochbekommt und sich ermutigt und nicht alleine fühlt, dann feiern wir es richtig hart. Für alle Leute von außerhalb: Es bringt auch nichts, am Montag nach Chemnitz zu kommen, einen Tag lang nen Dicken zu schieben. Viel wichtiger ist, die Leute vor Ort kontinuierlich zu unterstützen.
Wir freuen uns, gemeinsam mit vielen anderen Menschen dieser Schockstarre entgegenzuwirken. Nach unten gucken wird in solchen Situationen nichts bringen. Sich zurückziehen wird nichts bringen. Sich von der Angst lähmen lassen wird nichts bringen. Probleme lösen sich nicht von allein.
Wir wünschen allen Leuten schon morgen viel Kraft (Infos zu den Protesten beim Bündnis Chemnitz Nazifrei).
Auf Montag freuen wir uns sehr.
Raus aus der Schockstarre. Kopp hoch!
Noch nicht komplett im A***h!