07/01/2025
KOLUMNE
Malgorzata Duzynski, ist Diplom-Sozialpädagogin und 59 Jahre alt. Sie arbeitet bei der Stadt Wuppertal im Ressort Zuwanderung und Migration. 1987 ist Sie mit ihrem Mann aus Polen (Wrocław) ausgewandert.
In der Printversion der besten Zeit schreibt Malgorzata darüber, wie Sie die Kultur hier in der Region erlebt, und was Sie aus der Kultur Ihrer Heimat vermisst. Der Text ist in der besten Zeit in der Muttersprache von Malgorzata Duzynski abgedruckt.
Neben dem Text im Heft findet sich ein QR Code, der auf unsere Website führt und dort die Übersetzung des Textes zeigt. Hier findet ihr zusätzlich dazu die Übersetzung.
DAZWISCHEN ZUHAUSE
Wuppertal wurde im Jahr 1987 zu meiner zweiten Heimat – zu einem neuen und unbekannten Ort.
Ich bin mit meinem Mann in dieser Stadt angekommen, mit dem Gepäck meines bisherigen Lebens in der einen Hand und andererseits mit einem leeren Koffer in der Hoffnung, ihn mit neuem Leben und mit neuen Erfahrungen zu füllen.
Ich wurde von einer neuen Umgebung mit neuen Menschen begrüßt, einer anderen Art der Kommunikation, einer anderen Mentalität und einer anderen Art zu leben, mit anderen Lebenserfahrungen, die unter anderem mit dem politischen System zusammenhängen. Ich war 22 Jahre alt. Ich machte mich auf den Weg, um die neue Welt zu erkunden. Die politische Lage in Polen und die Überzeugung, dass es keine Aussicht auf ein anderes Leben gab, waren die Gründe dafür, dass ich mit meinem Mann wegging und die Grenzen des Landes, in dem ich geboren und aufgewachsen war, verließ.
Ausgestiegen am Bahnhof Wuppertal-Elberfeld, wusste ich nicht konkret, was mich erwartete. Ich wünschte mir, eine andere Welt zu erkunden – und diese wollte ich ohne Grenzen. Gleichzeitig wollte ich, dass diese neue Welt auch mich kennenlernt.
So kam es zu der ersten Herausforderung – der Suche nach gemeinsamen Kommunikationswegen, die es ermöglichen sollten, mich kennenzulernen, miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig zu verstehen.
Die Anfänge waren für mich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht einfach. Das Ergebnis waren die Zusammenkunft überwiegend mit dem polnischen Kulturumfeld und die Teilnahme an Veranstaltungen, die von diesem Umfeld organisiert wurden. Als meine Sprachkenntnisse besser wurden, entwickelte sich in mir ein Gefühl von Mut, und die anfängliche Schüchternheit schwand immer mehr dahin. Es gab einen Moment, an dem ich spürte, dass ich mehr wollte. Also trat ich aus meiner Hülle der Unsicherheit hervor und machte mich auf den Weg, die Stadt kulturell zu erobern, indem ich (in gebrochenem Deutsch) Eintrittskarten für die Oper, fürs Kino oder für Veranstaltungen kaufte (organisiert von anderen Gruppen, darunter solchen, die die Kultur zweier Länder fördern). Es gab genug Auswahl.
Mein Glück war, dass ich die einheimischen Menschen schnell kennenlernte, die sich um mich und meinem Mann kümmerten und uns die Welt aus der Perspektive ihrer eigenen Erfahrungen zeigten. Wir haben hart und eifrig gelernt, und die Motivation war der Wunsch, uns an die neue Umgebung zu gewöhnen und uns in sie zu integrieren – dies ermöglichte es uns, die Angst vor Fehlern und Irrtümern zu überwinden, die wir regelmäßig gemacht hatten und über die wir oft gemeinsam mit anderen lachten.
So lernte ich Wuppertal, seine Geschichte und seine Kultur kennen, ohne den Kontakt zu meiner Heimatkultur zu verlieren und zu den Menschen, die diese Kultur geschaffen und gepflegt hatten.
Jeder von uns „Neuzugewanderten“ hatte die Wahl, wie sehr er/sie die neue Heimat kennenlernen wollte, die er/sie freiwillig gewählt hatte. Wir waren uns der Unterschiede zwischen unseren Ländern sehr bewusst, die unter anderem in deren politischen Systemen begründet waren. Gleichzeitig entdeckten wir viele Gemeinsamkeiten – die Musik von Chopin und Strauss, die Malerei van Goghs, Goethes Gedichte, viele ähnliche Traditionen und die gemeinsame Geschichte. Die Grenzen verschwanden hier.
Eine große Rolle bei der Auflösung der kulturellen Barrieren und Grenzen in Wuppertal hatten bereits damals wie auch heute die Caritas, der Polnische Club oder die Polnische Katholische Mission. Sie wurden für viele zu einer Brücke zum Kennenlernen der polnischen und der deutschen Kultur. Viele Projekte und Initiativen der Stadt Wuppertal sowie sozialer Organisationen ermöglichen Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Kreisen den Zugang zu Kultur und kulturellen Aktivitäten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die OST-WEST-KONTAKTE oder die Aktivitäten der Bergischen Musikschule, wo ich notabene seit Frühjahr vorigen Jahres im Frauenchor WoW (Women of Wuppertal) mitsingen darf. Das gemeinsame Singen in diesem Chor ist für mich eine neue Erfahrung, die mir das Kennenlernen mir noch unbekannter Welten von Frauen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen bietet. Auch hier erlebe ich, dass die Grenzen verschwinden.
Eine wichtige Brücke der Integration durch Kultur war die Öffnung der Grenzen gen Osten, darunter Polen. Der Radius des Kennenlernens der Menschen, ihrer Geschichte, Tradition und Kultur wurde breiter, wodurch das Bild der Menschen aus Polen, das oft nur aus den Medien oder vom Hörensagen bekannt war, in vielen Fällen korrigiert werden konnte.
Trotz vieler kultureller Angebote in Wuppertal fühle ich persönlich ein wenig das Verlangen nach Mehr. Wenn ich das Programm der Stadthalle oder der Kinos durchblättere oder Radio Wuppertal höre, stelle ich fest, dass das kulturelle Programm mit Angeboten aus Polen intensiviert werden könnte. Persönlich fehlen mir beispielsweise polnische Musik oder die Ausstrahlung guter polnischer, international bekannter Filme, Auftritte des Theaters aus Polen, Besuche berühmter Persönlichkeiten aus der Welt der Kultur (und der Politik), polnische Literaturveranstaltungen mit den Autoren, aber auch ein polnischer Stand auf dem Weihnachtsmarkt in Barmen mit traditionellen polnischen Kunstgegenständen.
Ich wünsche mir, dass Polen nicht nur mit Bigos und mit Tourismus an das Polnische Meer nach Kołobrzeg in Verbindung gebracht wird; ich wünschte, dass unsere Unterschiede uns verbinden und dass wir neugierig aufeinander sind …
Ich bin und bleibe eine Between – ich lebe „dazwischen“ in zwei Welten, bei denen ich zulassen durfte, dass sie sich gegenseitig durchdringen. Es hat keine dieser Welten negativ beeinflusst oder ihr geschadet, im Gegenteil: Ich habe gelernt, in beiden zu leben. Es hat mich bereichert und mich unabhängiger gemacht, indem es mir das Gefühl gab, dass ich mich in jeder dieser Welten wie zu Hause fühlen kann.
Bild: Privat/Malgorzata Duzynski