
13/05/2025
Foto: Szene aus „Putsch“ © Martin Kaufhold
Kritik: Untaugliche Anleitung zur Rettung der Demokratie
Am Theater Trier feierte die politische Komödie „Putsch“ Premiere.
Von Eva-Maria Reuther
Die Komödie sei die beste dramatische Form, um die komplexe Beziehung von Mensch und Wirklichkeit darzustellen, hat Friedrich Dürrenmatt einmal gesagt. Im Theater Trier wird derzeit die Wirklichkeit des gegenwärtigen Rechtsextremismus und seiner politischen und massenmedialen Zusammenhänge verhandelt. „Putsch“ heißt die Politsatire, die das Haus am Augustinerhof beim Autorenduo Alistair Beaton und Dietmar Jakobs in Auftrag gegeben hat, und die am Wochenende in der Inszenierung von Manfred Langner Premiere feierte. Es ist die letzte Inszenierung des scheidenden Intendanten. Gleich eingangs erfährt das Publikum, wie heute ein politischer Umsturz funktioniert. Wenn sich der Vorhang öffnet, stehen oben auf der Bühne bewaffnete Militärs in Kampfmontur (Ausstattung Tom Grasshof), die, wie sie rapportieren, gerade das Kanzleramt besetzt und den Bundeskanzler an die Spülmaschine gekettet haben. Den Verkehr habe man lahmgelegt, außer den der Deutschen Bahn. „Die „blieb von selbst stehen“. (Übrigens zwei der intelligenteren Pointen des Abends.) Ein Conférencier im gediegenen Quizmaster-Look (Raphael Christoph Grosch), tritt auf und erklärt den Soldaten und ihrem General, dass ein Putsch mit Waffengewalt oldschool sei und man sich heute zum Umsturz den Zeitgeist und seine Instrumente dienstbar mache, will heißen Umfragen und die Aktivisten der sozialen Netzwerke und ihren Sh*tstorm, Ein aktuelles Beispiel wird als „Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“ im Folgenden mitgeliefert. Als Erzähler führt Grosch durch die Geschichte. Die beliebte und mit ihrer Comedy-Sendung „Klaras Text“ erfolgreiche Entertainerin Klara Milkowski wird wegen ihrer politisch unkorrekten Äußerungen vom Sender gefeuert. Ihre hohen Beliebtheitswerte und zahllosen Follower machen sie zur zugkräftigen Wahlkandidatin der rechtsextremistischen Partei UHD (Unser Haus Deutschland), deren Vorsitzender Oskar Falk die Frustrierte anwirbt. In der neuen Regierungskoalition, der auch die UHD angehört, wird Klara Innenministerin. Als die inzwischen an ihrer politischen Entscheidung Zweifelnde einem Attentat zum Opfer fällt, wird sie von ihrer Partei zur Märtyrerin stilisiert. Die Satire des englisch-deutschen Autorenteams, hat, was die Ideenlage angeht, durchaus gute kritische Ansätze. Wie etwa den bemühten Gleichschritt politischer Korrektheit vieler Medien und Theater. Oder die scheinbar basisdemokratische Beteiligung der Bevölkerung durch Umfragen und die unbestrittene massenmediale Wirkmacht von Netzwerken wie „X“, Facebook und Co.. Nicht zu vergessen die sogenannten Kompromisse der Koalitionäre, bei denen parteipolitische Eigeninteressen nicht selten vor politischer Vernunft und Bürgernähe gehen. Was allerdings in Trier daraus zur Bühnenrealität wird, hat mit Dürrenmatts (und nicht nur von ihm) geforderter Komplexität und Differenziertheit nichts zu tun. Statt einer erhellenden Satire, die messerscharf die Wirklichkeit seziert, wird ein zusammengerührter Politklamauk-Eintopf aus Klischees, wohlfeilen Gemeinplätzen und Kalauern serviert, dessen hemdsärmeliger Humor an die „Heute-Show“ erinnert. Garniert wird das Ganze mit etwas Lokalkolorit wie dem fehlenden Internet in der Eifel, und ein paar Merksätzen zur Demokratie. Nach dem Motto „Seid ihr alle da?“ wird das Publikum bespielt. Und damit die Gesellschaftskritik schön rockt, gibt es noch ein paar Musik-und Tanzeinlagen. Dabei zieht sich der Abend trotz seines Tempos ewig hin. Bespielt wird meistens die Vorderbühne mit einem Bühnenbild, das sich eher für eine Studiobühne eignet. Wie aus der gesellschaftskritischen Klischeesammlung präsentiert sich das mehrfach besetzte, allzeit hochengagierte Rollenpersonal. Als etwas unfrisch wirkender Wutbürger kommt Michael Hiller permanent brüllend daher. Nicht weniger genervt ist er als Bundeskanzler im Machtkampf mit „Tür auf, Tür zu“ Effekt der künftigen Koalitionäre. Als Entertainerin Klara macht Martine Schrey im lässigen Outfit ihrem Unmut Luft über Wokeness, Veganer, Gendergerchtigkeit und heruntergekommene Schulen. Bevor sie als Innenministerin wie das Double von Alice Weigel auftritt, mit blauem Hosenanzug, weißem Rollkragenpullover und zum blonden Knoten straff zurückgebundenem Haar, allerdings ohne die Härte des Originals. Eher überzeugt da Patrick Nellessen als millionenschwerer, mit Auszeichnung promovierter, kühl kalkulierender Jurist und Parteivorsitzender Oskar Falk. Elon Musk und die amerikanische Politelite lassen grüßen. Als opportunistischer Redakteur und ebensolcher UHD Generalsekretär präsentiert sich Stefan Vanecek. Schon Friedrich Schiller wusste, dass Personal Stories publikumswirksam sind. Beaton und Jakobs wissen das auch, und haben entsprechend einen Mutter-Tochter Konflikt eingebaut. Die alleinerziehende Klara gerät mit ihrer Tochter Melli (Eva Stempel) aneinander, gleichermaßen wegen der mütterlichen politischen Gesinnungslage, wie wegen des notorisch leeren Kühlschranks im offensichtlich schlecht organisierten Single-Haushalt. Da helfen auch die in Aussicht gestellten Pizza- und Sushi-Lieferungen nichts. Melli zieht mit Rucksack und Blühpflanze aus. Das Thema Migranten ist mit Klaras einstigem depperten Manager Thorben (Giovanni Rupp) vertreten, der als abtrünniger UHD-Fraktionsvorsitzender mit seiner türkischen Freundin und Klaras widerständiger Tochter untertaucht. Vor Ort ist auch ein Trupp der sieben Zwerge. Als Helfer beim Verlesen der Internet-Posts tauchen sie regelmäßig von hinter den sieben Bergen auf. Gegen Ende mutiert die Komödie zur weihevollen Gemeinschaftskundelektion in Sachen Demokratie. Und wenn zum Schluss die Spielenden an der Rampe singend ihr Publikum auffordern „Steh auf“ weiß man nicht recht, ob man jetzt beim Partei-oder Kirchentag ist. Aufstehen wollte man ohnehin, um nach Hause zu gehen. Dass die Welt nicht so schwarz-weiß funktioniert wie hier, wusste man schon von Aristoteles und Monty Python. Und so sehnt man sich auf dem Heimweg nach den Komödien, in deren glasklaren Spiegel sich differenziert und in geistreichen Dialogen die Irrationalität des rationalen Menschen und seiner Wirklichkeit darstellt. Und man sehnt sich nach einem Theater, das in der Tradition der Aufklärung ohne jeden didaktischen Eifer, sich als Ort der eigenständigen Selbstversicherung seines Publikums versteht. Denn eins braucht die Demokratie zu ihrem Bestand am nötigsten: statt Lehrtheater Bürgerinnen und Bürger, die den Mut haben sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. So wie hier rettet man jedenfalls keine Demokratie vor dem Rechtsextremismus.
Weitere Aufführungen: 17.5.,3.06.jeweils 19.30 Uhr,25.05.,18 Uhr, 01.06.,16 Uhr, Theater Trier, Großes Haus.
www.theater-trier.de