05/01/2025
Die “jüngere” Generation der Genre-Filmemacher, wie Robert Eggers, Ari Aster oder auch Luca Guadagnino und ihre Werke liegen nicht jedem Cineasten. Oftmals wirken ihre Arthouse anmutenden Produktionen “sperrig” und
der Zugang bleibt dem 0815-Blockbuster-Konsumenten des öfteren verwehrt.
Selbst wenn ihre Filme den eigenen Geschmack nicht treffen, dann sind sie zumindest spannend, innovativ, anders oder wenigstens mutig umgesetzt.
Fernab des Mainstreams entsprechen sie selten den üblichen Sehgewohnheiten und schon alleine deswegen sind diese Werke meistens eine Sichtung wert, da man oft überrascht wird und hin und wieder kommt dabei ein Meisterwerk wie Der Leuchtturm dabei heraus.
Eggers liegt mir persönlich am meisten von den drei genannten. Seine Bildersprache ist selbst bei seinen spartanisch wirkenden Filmen selten geringer als zumindest sensationell. Deswegen war ich besonders auf seinen Nosferatu gespannt. Nun hat er sich dem bekannten “Dracula”, sorry, ich meine natürlich Nosferatu-Thema gewidmet. ☺️ Die Geschichten drum herum sind den meisten Cinephilen bekannt. Fast jeder Film/Genre-Fan hat mindestens einmal das Original mit Max Schreck, die Kinski-Version oder beide gesehen, wichtiger, einen Dracula-Film gesehen. 😉 Nun gibt es eine weitere Neuauflage. Natürlich sollte man das 2000er Werk Shadow of a Vampire (Willem Dafoe) mit sehr interessanten Einblicken nicht vergessen. Dieser Film ist jedoch eher als Hommage an Murnaus Nosferatu zu verstehen.
Nun Blut bei die Fische. Was kann Eggers Nosferatu? Wie erwähnt ist die Bildersprache gewohnt und wie zu erwarten, oft großartig, aber zu selten. Viel zu selten.
Die entsättigten, blaugrauen Aufnahmen sind toll, wie die Shots im Waldweg, kurz bevor Hoults Figur die Kutsche erscheint. Das sind die Bilder, die “Dracula/Nosferatu-Stimmung” erzeugen. Leider gibt es davon vielleicht nur 20 +- Bilder, die ähnlich atmosphärisch wirken. Fast alles andere wirkt wie ein Reenactment-Werk, oder wie moderne französische Historienproduktionen von ARTE. Vieles, was sich in den Stadt-Szenen abspielt, hat keinen Filmlook, eher, wie erwähnt, wie bei einer Reenactment-Produktion. Es gibt zu wenig gute Settings/Kulissen, die gerade für so einen Film wichtig wären,um Stimmung zu erzeugen. Wenn Nicholas Hoults Figur durch die Schlossgänge umherläuft, wirkt es so, als würde ich durch die unteren Gänge von Schloss Strünkede in Herne laufen. Es wirkt einfach glatt, sauber und hat eher Dokumentarfilm-Look.
Darum ist die Kameraarbeit von Jarin Blaschke, dem Haus- und Hofkameramann von Eggers, dieses Mal kein Volltreffer. Es gibt tolle Aufnahmen, aber einfach zu wenig für die Spieldauer und gerade für dieses Genre. Unterm Strich gibt es kaum ein Bild, welches ich in dem mittlerweile über 30 Jahre alten Bram Stoker's Dracula von Coppola nicht um ein Vielfaches besser gesehen habe. Es gibt keine Szene in Nosferatu, die Michael Ballhaus in Dracula vor über 30 Jahren nicht besser eingefangen hat.
Damit wären wir beim zweiten Manko: der Film wirkt künstlich in die Länge gezogen. Das Original hat fast eine Stunde kürzere Laufzeit. Natürlich gibt es heutzutage andere Vorgaben und Wünsche für einen Film. Es gibt aber auch in unserer Zeit 90-, oder 100-Minuten-Werke, die funktionieren und erzählen, was sie erzählen müssen und unterhalten bestens. Ich habe mich streckenweise leider sehr gelangweilt. Nosferatu geht einfach zu lang für das bisschen Story.
Manko 3, Lily Rose Depp. Ich liebe Johnny Depp seit Edward mit den Scherenhänden. Er ist von seinem Talent aus, ohne Schnickschnack, kein großer Mime à la Gary Oldman oder Daniel Day Lewis, aber er ist ein verdammt guter Verwandlungskünstler, der oft seinen Figuren Charme, Herz oder Seele verleiht. Lily hat leider nicht die Gabe, ihre Augen sind leblos, sie können selten etwas transportieren. Ihre “Besessenen-Szenen” sind oft gut oder wirksam (nicht immer), aber ihre normalen Dialogszenen sind oft nicht zu ertragen, weil sie wenig bis nichts vermitteln kann. Ihr Gesicht hübsch anzusehen ja, funktioniert porzellanpuppenähnlich mit einer Träne, die die Wange hinunter läuft und halt als besessene Fr**ze, alles andere ist leblos. Sie sagt oft ihren Text einfach nur auf, wie schlecht auswendig gelernt, aber nicht gefühlt. Wenn sie Drama spielt, wirkt es künstlich, nicht weil es die Figur erfordert, nein, weil sie es einfach nicht besser kann. Ihre Mutter Vanessa Paradis war auch nie die beste Schauspielerin, aber sie wirkte immer lebendig, echt. Das Gefühl kriege ich fast nie durch Lily Rose.
Manko 4: Aaron Taylor Johnson. Er fühlt sich wie ein Fremdkörper in Nosferatu an. Der Mann hat mich bisher nur einmal mimisch abgeholt und das war in Nocturnal Animals und danach nie wieder. Vielleicht lag es daran, dass die Besetzung so stark war und er angesteckt wurde, besser zu agieren und danach ist es ihm nie wieder gelungen.
Ich weiß wirklich nicht, warum er so häufig besetzt wird, er ist ein sehr durchschnittlicher Mime.
Ein weiteres Manko ist der “Nosferatu-Look”. Es wirkt wie Jared Letos Suicide-Squad-Joker-Look, oder wie Bill Skarsgards Crow-Look, sehr gewollt anders. Genau deswegen sieht es für mich irgendwie “Way Off” oder daneben aus. Keine Ahnung, wer die Idee dazu hatte, ihm den Kemal Atatürk Zombie-Look zu geben, aber für mich hat es absolut nicht funktioniert.
Ein weiteres Übel sind einige Dialog-Szenen, die wirklich nicht gut geschrieben sind. Auch spielerisch funktionieren sie nicht für mich. Besonders die Dialogszene mit Lily und Bill. Einiges davon wirkte schon irgendwie erzwungen und peinlich. Viele Dialogszenen wirken insgesamt wie Theater, aber nicht wie gutes Theater, sondern wie überzogenes Theaterspiel.
Emma Corrin hat mich leider auch nicht wirklich abgeholt.
Nicholas Hoult hat tatsächlich größtenteils einen anständigen Job gemacht, aber Willem Dafoe wirkte leider eher wie auf Autopilot.
Zu Bill Skarsgard kann ich nicht viel sagen, er war im Grunde die ganze Zeit in diesem schlechten Vampir-Design/Look gefangen.
Mein Fazit:
Es gibt nichts in/an Nosferatu, was ich nicht in Bram Stoker's Dracula um ein Vielfaches besser gesehen hätte. Dracula von Coppola ist ein visuelles Meisterwerk, welches zeitlos bleibt und obwohl ich Keanu liebe, nur ihn als Fehlbesetzung/Manko vorzuweisen hat. Bei Nosferatu ist es andersherum. Die harkerähnliche Figur, die Nicholas Hoult spielt, ist eigentlich noch das Beste an Nosferatu. Jedoch nicht sensationell gut, sondern eher nur auf der kleinen positiven Habenseite, gegenüber vielen negativen Punkten.
Abgesehen von einigen schönen Bildern ist Nosferatu für mich sehr blutarm. Jedoch sind Ballhaus-Bilder, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben, ebenfalls um ein Vielfaches besser als alles, was ich in Nosferatu gesehen habe. Dieses Eggers-Werk hat mich nicht überzeugt, eher oft gelangweilt. Für mich bisher sein schwächster Film.
Ich bin überrascht über die aktuell guten Bewertungen. Vielleicht regelt es noch die Zeit, oder das Publikum kennt Coppolas Dracula nicht. Leider ist Nosferatu eine große Enttäuschung und für mich nicht mal eine Zweitsichtung wert.
Wie kam Nosferatu bei euch an?
Marc Engel