30/08/2024
Caspar David Friedrich
Von Pater Reinhard Vitt
Es sind gleich sechs Ausstellungen, die in diesem Jahr an Caspar David Friedrich erinnern. In Hamburg war die erste, es folgen weitere in Greifswald, Berlin, Dresden, Weimar und im Metropolitan Museum New York. Als die Hamburger Kunsthalle nach 15 Wochen zum 1. April schloss, hatten 32000 Besucher diese Ausstellung gesehen, die unter dem Titel stand: Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit.
Caspar David Friedrich wird am 15. September 1774, also vor 250 Jahren, in einer Seifensiederfamilie in Greifswald geboren. Seine Mutter und ein jüngerer Bruder sterben früh. Friedrich besucht die Kunstakademie in Kopenhagen und nimmt anschließend –1798 – Wohnung in Dresden. Er wandert, er zeichnet, er malt. Er wandert auf Rügen, reist nach Nordböhmen, wandert durch das Riesengebirge, wandert durch den Harz. 1818 heiratet er und wird Vater von vier Kindern. Friedrich, inzwischen Mitglied der Berliner und Dresdner Kunstakademie und dort auch Professor, erleidet 1835 einen Schlaganfall. Er stirbt am 7. Mai 1740 und wird am 10. Mai auf dem Trinitatisfriedhof beigesetzt.
Caspar David Friedrichs Malerei strahlt einen eigenartigen Zauber aus. Das ist nicht der Zauber der leuchtenden Impressionisten oder der farb- und formstarken Expressionisten. Friedrichs Malerei ist verhalten. Wer diese stille Verhaltenheit für sentimental oder gar nichtssagend hält, verfehlt den Inhalt und die Botschaft von Friedrichs Malerei. Johannes Grave umschreibt das im Katalog zur Hamburger Ausstellung so: „Im Zentrum der Kunst Caspar David Friedrichs steht die Natur.“ Es ist dies aber die Natur in ihrer ganzen Weite und Tiefe, es ist dies auch die Natur in ihrer Zerbrechlichkeit und gar in ihrer Bedrohung, und es ist dies die Natur, die an die Grenzen des Daseins führt und einlädt, diese Grenzen zu überwinden. Dabei stellt Friedrich die Natur selten in der Klarheit des sonnigen Tages dar, er bevorzugt Zwischenzeiten, so den aufkeimenden Morgen, die herabsinkende Nacht, die Phase zwischen Regenwand und Sonnenschein, durchaus auch mit Regenbogen. Von besonderer Bedeutung werden bei ihm die Nebel- und die Winterlandschaften, eher dämmrig, manchmal gar düster. Man mag das melancholisch nennen oder gar depressiv. Dann aber übersieht man leicht, dass Friedrich in seinen Bildern das Licht in seiner nahezu unendlichen Vielfalt einfängt und darstellt. Es gibt sogar die Formulierung, Friedrich sei ein „Meister des Lichtes“ gewesen. Durch die ungewöhnliche Vielfalt des Lichtes legt Friedrich eine Stimmung in seine Bilder, die sich nahezu unmittelbar auf den Betrachter überträgt. Daraus ergibt sich ein Teil der Faszinationskraft, die Friedrichs Bilder bis heute ausstrahlen.
Ich greife noch einmal auf Johannes Grave zurück, der sagt, die Natur stehe im Mittelpunkt von Friedrichs Malerei. Grave erweitert seine Aussage dann: „Nicht die Natur allein, sondern das Verhältnis zwischen Mensch und Natur.“ Hier liegt auch die hohe Aktualität von Friedrichs Malerei. Der Mensch – und das sind wir – fehlt in Friedrichs Malerei gerade nicht, selbst wenn er nicht dargestellt ist, bleibt er doch der, der die Natur betrachtet, das erhebt diese Malerei aller Sentimentalität. Der Mensch in Friedrichs Bildern, meist dargestellt als sogenannte „Rückenfigur“, schaut in die Natur hinein und lädt den Betrachter der Bilder ein, mit ihm in die Natur hineinzuschauen. Dabei erfährt sich der Mensch als einer, der der Natur gegenübersteht. Dieser Mensch ist aber der gleiche, der auch Teil der Natur ist. Darauf weisen seine Bilder der Gräber – wie Huttens Grab – und der Ruinen – wie der immer wieder gemalten Ruine der Abtei auf dem Oybin. Der Mensch, als betrachtend und wirkend der Natur gegenübergestellt, unterliegt auch in seinem Sein und Wirken den Gesetzen der Natur, die ein Vergehen kennt. Zugleich kennt der Mensch ein Verlangen, in der Natur eine die Natur übergreifende Wirklichkeit zu erfahren, die in der Natur als diese transzendierend erspürt wird, durchaus für den Menschen notwendig und sich doch zugleich jeder Verfügbarkeit entziehend.
Diese Thematik hat Friedrich wohl am stärksten eingefangen in dem Ölgemälde „Der Mönch am Meer“, an dem er zwei Jahre – von 1809 bis 1810 – arbeitet. In ungewöhnlicher Klarheit gliedert er das Bild in drei gewaltige Horizontalen, die der Erde, die des unermesslichen Meeres in seiner tiefen Schwärze und die des sich bewegenden Himmels. Diesen drei horizontalen Bereichen steht gegenüber eine einzige – nahezu winzige – Vertikale: der barhäuptige, schwarz gekleidete Mönch am Meer. Das ist der Mensch in der Weite und Unergründlichkeit der Natur, der diese aber in sich aufnimmt und zugleich „das unerforschliche Jenseits“ sucht (Zitat: Friedrich). Dass dieser Mönch auch für die Einsamkeit steht, ist nicht nur ein Thema der Romantik, sondern auch die Basis der Sehnsucht.
Ganz anders stellt Friedrich die Natur dar in seinem Ölgemälde „Das Eismeer“ von 1823/1824. Friedrich war nie am Eismeer. Er verwendet Motive aus dem eiskalten Winter 1820/1821 in Dresden, als die Elbe komplett zufror. Hier zeigt sich, dass Friedrich die Natur nicht einfach abbildet, sondern sie „internalisiert“, in sich aufnimmt und dann bildlich auf eine Aussage und Botschaft hin gestaltet. Die Botschaft aber liegt nicht zuletzt in dem an den Eisklippen zerborstenen Segelschiff. „Der gewaltigen Natur gegenüber schutzlos ausgeliefert, muss der Mensch sich letztlich deren Macht beugen“ (Markus Bertsch). Eine starke Symbolik in Friedrichs Malerei kommt besonders zum Ausdruck in seinem Ölgemälde „Zwei Männer in der Betrachtung des Mondes“ aus den Jahren 1819/1820. Zwei Männer, in Freundschaft verbunden – auch dies ein Motiv der Romantik –, betrachten inmitten der Nacht den zunehmenden Mond. Auch hier begegnen uns Rückenfiguren, die uns aufnehmen und hineinführen in das Innere des Bildes. Dass die beiden Wanderer – auch die Wanderung durch die deutsche Landschaft ist ein Motiv der Romantik – ihren Weg zwischen zwei Bäumen nehmen, einem kahlen Baum rechts und einem immergrünen Baum links, macht sie zu Wanderern auf dem Weg – auf ihrem Lebensweg – zwischen den beiden Wirklichkeiten des Todes und des ewigen Lebens. Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass sie gemeinsam auf den zunehmenden Mond schauen, denn dieser in der Mitte des Bildes ist ein Christussymbol. Das Bild hat aber nicht nur eine existentielle Dimension, die mit der Religion verbunden ist. Es hat auch eine politische Dimension, denn die beiden Wanderer tragen eine altdeutsche Kleidung, die zur Zeit der Entstehung des Bildes als Ausdruck freiheitlich-revolutionärer und nationaler Gesinnung verstanden wird und von den Kräften der autoritären Restauration verboten wurde. Für Friedrich scheinen Erlösung und Befreiung dicht beieinander zu liegen. „Das Christliche wird politisch und umgekehrt, wenn sich das Streben nach Freiheit mit dem Versprechen der Erlösung verbindet“ (Holger Birkholz).