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27/01/2025
Das kurfürstliche Lustschloss Favorite im Mai 1781
Von Dr. Rudolf Büllesbach
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts baute der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn vor den Toren der Stadt ein in ganz Europa bewundertes Schloss. Der Historienmalers André Brauch hat das kurfürstliche Lustschloss wieder sichtbar gemacht. Das im Auftrag des verstorbenen Kunstmäzen Stefan Schmitz geschaffene Ölgemälde wurde im Oktober 2024 im Landesmuseum Mainz der Öffentlichkeit offiziell vorgestellt.
Wie alle Herrscher in der Barockzeit musste auch der Mainzer Fürstbischof als ranghöchster Fürst nach dem Kaiser seine führende Rolle in Reich und Kirche nach außen prachtvoll repräsentieren. Nur Macht, die aussah wie Macht, war wirkliche Macht. So gehörte es zu dieser Zeit, dass die Fürsten nicht nur über eine Residenz verfügten – in Mainz war dies die Martinsburg –, sondern auch für private Veranstaltungen oder zwanglose Begegnungen ein repräsentatives Lustschloss (französisch „Maison de plaisance“, was auch „Landhaus“ bedeutet) zu Verfügung hatten. Dort konnten sie abseits eines aufwendigen Hofzeremoniells oder einer höfischen Etikette ihre Gäste für politische oder kulturelle Anlässe empfangen.
Wegen des dicht bebauten Stadtgebiets innerhalb des Mainzer Festungsrings wählte Lothar Franz von Schönborn den Hang des Albansbergs unmittelbar am Rheinufer und gegenüber der Mainmündung für sein neues Schloss. Der Name des Lustschlosses „Favorite“ war von der Lage von Mainz an der Grenze zu Frankreich und zum kaiserlichen Hof in Wien beeinflusst. Mit Blick auf Wien war hierfür die kaiserliche Sommerresidenz „Favorita“ das Vorbild. Die architektonische Gestaltung orientierte sich dagegen an dem Lustschloss Marly-le-Roi von Ludwig XIV. bei Paris.
Die Arbeiten an der Favorite begannen 1713 und konnten 1729 abgeschlossen werden. Das Bild dieser ersten Ausbauphase des Schlosses wird bis heute durch die zwischen 1723 und 1726 geschaffene Serie von vierzehn prächtigen Kupferstichen von Salomon Kleiner geprägt. Die Nachfolger von Erzbischof Lothar Franz von Schönborn nahmen später zahlreiche Veränderungen vor. Das Ölgemälde von André Brauch zeigt den Ausbauzustand der Favorite mit seinen Gebäuden, Wasserspielen und verschiedenen Gärten aus dieser späteren Zeit im Mai 1781.
Die Favorite gehörte mit einer Länge von 400 und einer Breite von 140 Metern nicht zu den größeren Lustschlössern des europäischen Barocks. Durch die meisterhafte Ausnutzung des Geländes sowie die Anordnung der Gebäude war es den Architekten jedoch gelungen, den Eindruck von Weiträumigkeit und Großzügigkeit zu vermittelten. Für die Favorite wurde die bis dahin vorherrschende einheitliche Achsenstruktur des Barockgartens mit ihren großen geometrisch angelegten Blumenbeeten aufgelöst und durch drei parallel nebeneinander und zum Rhein hin ausgerichtete Gartenanlagen ersetzt.
Im südlichen Garten, dem Petit Marly, befand sich das Rheinschlösschen als Wohnung für den Fürstbischof. Der Gartenteil bestand aus zwei Parterres, auf deren unterem ein großes Wasserbassin mit einer Grotte für einen Blickfang sorgte. Das obere Parterre wurde von sechs jeweils zu drei Paaren gestaffelten und eingerückten Pavillons für die Hofgesellschaft geprägt, die das Auge des Betrachters auf die breitgelagerte und repräsentative Orangerie lenkten. Der daneben liegende zweite und mittlere Garten war als Wasserachse angelegt und mit Terrassen untergliedert. Diese waren durch aufwendige Kaskaden und großzügige Treppenanlagen miteinander verbunden und ermöglichten spektakuläre, in vielen zeitgenössischen Quellen überlieferte Blicke auf den Zusammenfluss von Rhein und Main und das Taunusgebirge. Einen völlig anderen Charakter als die Wasserachse hatte der dritte Gartentrakt. Dort befand sich mit dem „Trianon de Porcellaine de Marly“ ein prunkvolles Gebäude, das innen mit einem porzellangetäfelten Raum und einem Wasserbassin ausgestattet war und als Porzellanschlösschen für gesellschaftliche Unterhaltung wie Konzerte und Spielgesellschaften genutzt wurde. Auf dem Gemälde ist das Porzellanhaus am rechten Bildrand angeschnitten.
Der Bereich oberhalb des Porzellanschlösschens war durch eine große Promenade mit vier Reihen von Rosskastanien bestimmt. Nicht zu sehen auf dem Bild ist das nach der Stadt hin gelegene Eingangstor zur Favorite, das eine Sichtachse bis zum Rheinschlösschen und einen repräsentativen Zugang durch die gesamte Länge der Gartenanlage ermöglichte.
Die Wasserspiele und Wassertreppen der Favorite wurden durch eine Brunnenstube am Hechtsheimer Berg und durch neu gebaute Wasserleitungen versorgt. Auf dem Gemälde sind das große Wasserbecken hinter der Orangerie und das schmuckvoll verblendete Château d'eau (Schloss des Wassers – Wasserturm) oberhalb der mittleren Wasserachse zu erkennen, die beide durch ein auf der Höhe des Albansbergs eingerichtetes Wasserreservoir im Graben der Karl-Schanze versorgt wurden und anschließend das Wasser zu den verschiedenen Wasserkünsten und -treppen führten.
Die Eroberung von Mainz durch die Franzosen leiteten das Ende der Favorite ein. Im Jahr 1793 machten die französischen Besatzer von Mainz das Schloss und den Garten dem Erdboden gleich, um für die bevorstehende Belagerung der Stadt vor den Festungsanlagen freies Schussfeld zu erhalten. Die Steine wurde später für den Neubau von Festungsbauten in Kastel genutzt.
Heute erinnern nur noch der Flussgott Rhenus sowie der Herkules im Mainzer Stadtpark an das Schmuckstück des barocken Mainz.