27/10/2024
Die liturgische Meßfeier des dreiundzwanzigsten Sonntags nach Pfingsten.
1. Den Grundgedanken der heutigen Meßfeier enthüllt das Evangelium. Ein Synagogenvorsteher, Jairus mit Namen, sucht den Heiland auf: «Meine Tochter ist soeben gestorben; komm und lege ihr die Hand auf, so wird sie leben.» Die Tote ist liturgisch das Bild des für Christi Glauben und Christi Kirche toten Judentums. Jesus macht sich auf den Weg, der Toten das Leben zurückzugeben. Da tritt ein Weib herzu und rührt glaubensvoll den Saum Seines Kleides an: «Wenn ich nur Sein Kleid berühre, so werde ich gesund.» Das sich herzudrängende blutflüssige Weib ist das Bild des sich Christo anschließenden Heidentums. Sie wird zuerst geheilt, noch bevor der Heiland in das Haus des Jairus kommt. Das Heidentum ist zuerst des Heils teilhaftig geworden; erst wenn das Heidentum in die Kirche Christi eingegangen ist, wird auch Israel als Volk zu Christus kommen. Wenn aber dies geschehen, dann ist die Wiederkunft Christi nicht mehr so fern.
2. Heute freut sich die Kirche der Stunde, in welcher Christus Sein ehedem auserwähltes Volk mit Seinem Heil heimsucht und ihm, wie der Tochter des Synagogenvorstehers, das Leben zurückgibt. Vertrauensvoll hält sie sich an das Wort: «Ich sinne Gedanken des Friedens und nicht des Verderbens. Ich will euch (das Judenvolk) aus der Gefangenschaft» heimführen zur heiligen Kirche, zur Teilnahme an den Gnaden und Segnungen des Erlösungswerkes Christi. «Du hast Dein Land begnadigt, die Knechtschaft Jakobs (d. i. des Judentums) beendet» (Introitus). Sie werden mit denen aus dem Heidentum Gotteskinder und werden das Erbe der Gotteskinder teilen. Dann wird ein Hirt und eine Herde sein, ein Reich Gottes, eine Kirche, eine ewig dauernde Gemeinschaft der Heiligen unter dem einen Haupte Christus - Christi Sieg, der Sieg der Gnade! So fühlt, so hofft, so fleht die Kirche. Sie will und wünscht das Heil aller, daß alle zu Christus kommen, seien sie Heiden oder Juden, und von Ihm das Heil erlangen. Das Gebet und den Wunsch der Kirche machen wir zu unserem eigenen Gebet und Flehen und bestürmen den Himmel mit dem neunmaligen Kyrie eleison. Sehnsüchtig erwarten wir mit Jairus und mit dem blutflüssigen Weib die Berührung mit Christus, «daß Er (in der Wiederkunft, Auferstehung des Fleisches) den Leib unserer Niedrigkeit umgestaltet» (Epistel), noch viel wirksamer, als Er es an der kranken Frau und dem toten Mädchen getan hat. Wir leben heute mit der Liturgie ganz in dem Gedanken an die für die heilige Kirche so beglückende Wiederkunft Christi, wo sie in ihrer Ganzheit, in allen ihren Kindern und Gliedern, so viele ihrer von der Masse der Menschheit im Stande der heiligmachenden Gnade gestorben sind, «aus den Tiefen» der Erdennöten emporgehoben sein wird in die Höhen der Gottanschauung, der ewigen Ruhe und Seligkeit. Was der Heiland heute an der Kranken und an der Toten gewirkt, das wirkt Er in ungemessenen Dimensionen an der Menschheit, an der Kirche, wenn Er sie von dem Orte der Verbannung für immer ins Vaterhaus zurückführt. So singen wir im Graduale: «Du hast uns (die Kirche, in ihr auch uns) von unsern Drängern befreit. In Gott rühmen wir uns immerdar.» Selige Wiederkunft Christi am Ende für die Gesamtheit, am Ende unserer Erdentage für jeden einzelnen von uns! Es ist der Tag der «Befreiung»! «Ich sinne Gedanken des Friedens.»
3. Heute schon leuchtet er uns in der Meßfeier auf. In dem Synagogenvorsteher und in der kranken Frau geht heute die Kirche und gehen wir im Opfergang Christo entgegen. Was können wir Ihm als Opfergabe geben? Wie Jairus und die kranke Frau nur Elend, Siechtum, Tod. Sind wir doch alle durch die Erbsünde und durch unsere persönlichen Sünden verwundet, schwach, krank, siech. «Aus der Tiefe (des Siechtums, der Sündennot) rufe ich zu Dir.» Im Opfer finden wir Christus. In der heiligen Wandlung kommt Er uns entgegen. Er läßt sich von unserer Not und unserem Elend so rühren, daß Er unsere Anliegen nicht bloß gnädig anhört, sondern in innigster Herzens-, Lebens- und Opfergemeinschaft zu Seinen eigenen Anliegen macht und in Sein reines, heiliges Opfer aufnimmt. Opfernd trägt Er unsere Not, unsere Bitten, unser Verlangen vor den Vater und stützt es durch Seine Liebe, durch Seine Verdienste, durch Seine Reinheit und Heiligkeit. Er betet mit uns: «Gib uns heute unser Brot. Vergib uns unsere Schuld. Führe uns nicht in Versuchung. Erlöse uns von dem übel.» Mehr noch! In der Kommunion kommt Er zu uns, ganz derselbe, den die kranke Frau des Evangeliums berührt und der das Mädchen des Jairus bei der Hand nahm und zum Leben erweckte. Er berührt auch uns, Seine Kirche, und wir sollen erfahren, daß eine Kraft von Ihm ausgeht und alle heilt. «Ich denke Gedanken des Friedens, nicht des Verderbens.» «Wahrlich, Ich sage euch: Alles, um was ihr in eurem Gebet bittet, glaubt, daß ihr es erlanget, und es wird euch werden!» (Communio.) Was dem bittenden Synagogenvorsteher und an der stumm bittenden kranken Frau geschehen ist, das soll sich auch an jenen bewahrheiten, die in der heiligen Messe und im Opfermahl der heiligen Kommunion Christo, dem Heiland, begegnen und Ihn bitten. «Ich denke Gedanken des Friedens.»
Dreiundzwanzigster Sonntag nach Pfingsten.
In Erwartung.
1. «So spricht der Herr: Ich denke Gedanken des Friedens (der Erlösung), nicht des Verderbens. Ihr werdet zu Mir rufen und Ich werde euch erhören. Heimführen werde Ich euch aus der Gefangenschaft von überall her» (Introitus). Die Wiederkunft Christi im Tode des einzelnen und insbesondere am Jüngsten Tage bedeutet nicht nur Gericht, sie bedeutet zutiefst und zuletzt «Heimführung der Gefangenen», endgültige Befreiung, Erlösung, Aufnahme in die seligen Wohnungen der himmlischen, ewigen Heimat. Die Liturgie lenkt unsern Blick empor, hinein in das nahe, vollendete Leben des Himmels, das unser wartet und das in uns im Leben der heiligmachenden Gnade, in der Einverleibung in Christus und die Kirche, bereits begonnen ist.
2. «Von dort (vom Himmel her) erwarten wir den Erlöser, unsern Herrn Jesus Christus. Er wird unsern armseligen Leib umgestalten und ihn Seinem verklärten Leibe ähnlich machen in der Kraft, in der Er sich alles unterwerfen kann» (Epistel). Noch rufen wir «aus den Tiefen» der Not und Nichtigkeit des Erdenlebens. Noch streiten und kämpfen wir und sind auf Schritt und Tritt den Täuschungen, den Versuchungen und der Gefahr zu sündigen ausgesetzt. Noch leben wir das Leben der Entäußerung und Erniedrigung mit, das Jesus geführt hat und das Er, das Haupt, in uns, Seinen Gliedern, hier auf Erden weiterlebt. Wie Ihm, dem Haupt, erst dann die Auferstehung und Verklärung ward, als Er am Kreuze ausgerungen hatte, so wird auch für Seine Kirche, für uns, der Verklärungsmorgen erst dann anbrechen, wenn der Kampf des Erdenlebens durchgekämpft und das letzte Glied des mystischen Leibes Christi in Liebe, Streiten und Leiden zur Ähnlichkeit mit dem Haupt herangereift ist. Dann ist das Ende, die volle, ganze Verwirklichung des Heiles, nach dem Bilde des verklärten Herrn. Dann leidet und streitet die Kirche nicht mehr. Dann triumphiert sie in alle Ewigkeit. «Herr, Du hast uns von unsern Bedrängern befreit und unsere Hasser zuschanden gemacht» (Graduale). Dann ist die Vollendung, die vollkommene Erlösung, für die Seele und für den Leib. «Ich glaube an die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.» Diesen Tag der Enderlösung in der Auferstehung von den Toten, im Weltgericht, diesen Tag ihrer Heimführung in die Seligkeiten des Jenseits erwartet und ersehnt die heilige Liturgie in diesen letzten Wochen des Kirchenjahres. «Aus Tiefen schreie ich zu Dir, o Herr. Herr, erhöre mein Rufen» (Offertorium). Mit der heiligen Kirche er-heben auch wir in diesen letzten Wochen des Kirchenjahres den Blick empor, hinein in das allein wahre Leben, auf das hin wir erlöst, getauft und mit so reichen Gnaden gesegnet sind. «Wir erwarten den Erlöser, der unsern armseligen Leib umgestalten und ihn Seinem verklärten Leibe ähnlich machen wird.»
«Unser Wandel ist im Himmel.» «Viele (Christen) wandeln als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist Verderben, ihr Gott der Bauch, ihr Ruhm besteht in ihrer Schande (d. i. sie rühmen sich nach ihren Schandtaten), ihr Sinnen geht auf das Irdische» (Epistel). «Unser Wandel aber ist im Himmel.» Das ist die Forderung der Endzeit des Kirchenjahres. Wir fühlen uns unmittelbar vor den Toren der himmlischen Heimat. Wir leben zwar in der Welt, doch haben wir mit ihr eigentlich nichts mehr zu tun, soweit sie irdisch denkt und lebt. Wir leben im Sinne des Apostels: «Meine Brüder, die Zeit ist kurz bemessen. Daher sollen die Verheirateten leben, als wären sie nicht verheiratet. Die Trauernden, als trauerten sie nicht. Die Fröhlichen, als wären sie nicht fröhlich. Die etwas erwerben als solche, die nichts besitzen. Die mit der Welt verkehren wie solche, die nicht mit ihr verkehren. Ich wünsche, ihr möchtet ohne Sorge sein. Wer unverheiratet ist, der ist um die Seele des Herrn besorgt, wie er dem Herrn gefalle; wer verheiratet ist, der ist um weltliche Dinge besorgt, wie er der Frau gefalle: so ist er geteilt» (I Kor. 7:29-33). Wir leben, wenn anders wir mit unserem Christentum, mit unserer Eingliederung in Christus und die Kirche, mit unserem liturgischen Leben Ernst machen, nicht mehr eigentlich in der Zeit, im Diesseits, sondern in der Ewigkeit, im Jenseits. Unsere Gedanken, Wünsche, Bemühungen reichen hoch über das bloß Irdische und Zeitliche hinaus. Wir bewegen uns in der Erwartung der Auferstehung von den Toten, der Aufnahme in die Wohnungen des Himmels. Dafür richten wir uns ein. Nicht so sehr aus dem Schrecken vor dem kommenden Tod und Gericht, als vielmehr aus dem Bewußtsein unseres Einsseins mit dem Erlöser, der unsern armseligen Leib umgestalten und Seiner eigenen Verklärung teilhaft machen wird. Freudig «halten wir stand im Herrn» (Epistel). Was sind Geld und Reichtum, irdische Genüsse und Freuden, Ehren und Geltung vor den Menschen im Vergleich mit dem, was uns im ewigen Leben erwartet? Was bedeuten die Opfer und Entsagungen, Verdemütigungen und Leiden des gegenwärtigen Lebens gegenüber dem, was uns im Himmel dafür gegeben wird? (Röm. 8:18) «Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herzen ist eine Ahnung davon aufgegangen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben» (I Kor. 2:9).
3. Zwei Klassen von Christen! «Viele», die als «Feinde des Kreuzes Christi wandeln. Ihr Sinnen geht auf das Irdische. Ihr Gott ist der Bauch.» Der Apostel denkt an diese Christen «unter Tränen». Die Liturgie ebenso. Der andern «Wandel ist im Himmel», beim verklärten Herrn. Sie harren mit Sehnsucht Seiner Wiederkunft entgegen. Sie «wünsehen aufgelöst und mit Christus zu sein. Denn Christus ist für mich das Leben, und das Sterben ist mir Gewinn» (Phil. 1:21, 23).
«Von dort, vom Himmel, erwarten wir auch den Erlöser, unsern Herrn Jesus Christus.» Nicht nur am Ende der Tage, in ferner Zukunft, sondern schon heute, in der Stunde der heiligen Opferfeier. Sie ist die Einleitung, das Vorspiel und Unterpfand dafür, daß der Erlöser kommen, unsern Leib umgestalten und mit der Herrlichkeit Seiner eigenen Verklärung umkleiden wird. Er kommt im Opfer der heiligen Messe, im Genuß der heiligen Kommunion mit derselben Macht und Kraft, mit der Er im Evangelium der heutigen Messe die blutflüssige Frau heilt und die Tochter des Jairus vom Tode erweckt, «mit der Kraft, mit der Er sich alles unterwerfen kann», selbst den Tod.
«Wahrlich, Ich sage euch: Ihr möget im Gebete begehren, Was immer es sei. Glaubt nur, daß ihr es erhaltet, so wird es euch zuteil» (Communio). Was wir erwarten, die einstige Auferstehung und Verklärung, wird uns, den Gliedern Seines Leibes, um so sicherer zuteil werden, je tiefer wir Ihm in der heiligen Kommunion eingegliedert und angegliedert werden. «Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. Wer dieses Brot ißt, wird in Ewigkeit leben» (Joh. 6:54-58). Wir glauben.
Gebet.
Wir bitten Dich, o Herr, erlaß Deinem Volke seine Missetaten, damit wir frei werden von den Sündenfesseln, in die wir infolge unserer Schwachheit geraten sind. Durch Christus unsern Herrn. Amen.