08/02/2022
Zum 100. Geburtstag von Wladyslaw Bartoszewski zitieren wir heute Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler von Österreich 2000–2007 aus dem Buch „Für Freiheit kämpfen - selbstbestimmt leben“:
"Bartoszewski war niemand zum Liebhaben. Nicht einer, der nur besonders sympathisch wirken wollte: Er sah aus wie ein römischer Senator und war mit einer maschinengewehrartigen Rhetorik ausgestattet, die durchaus verletzend sein konnte, wenn ihm danach war. Er war scharfzüngig. Nie schmeichelte er.
Respekt ist das richtige Wort, das mir zu ihm einfällt. Ja, ich habe ihn respektiert wegen seiner Persönlichkeit, seiner Geschichte und der Art und Weise, wie er das, was ihm persönlich im Nationalsozialismus, im Kommunismus zugestoßen war, aufgearbeitet hatte. Er hat nie verallgemeinert und gesagt: „Die einen sind wie die anderen.“
Ja, ich würde ihn heute noch gerne anrufen und fragen: Was geht in Polen vor? Er wäre wie immer ein präziser Beurteiler, und das selbst dann, wenn es ihm wehtäte und er darunter leiden würde.
Er hätte auch frühere Regierungen, denen er näher gestanden war, schonungslos analysiert und kritisiert: Nicht ohne Grund ist das letzte Wahlergebnis zu Stande gekommen! Nicht ohne Grund haben
wir alle – Briten, Deutsche, Franzosen, Italiener, Griechen und auch wir Österreicher – heute Probleme.
In diesem Zusammenhang und im Sinne von „Checks and Balances“ ist es wichtig, dass es starke argumentative Stimmen wie die von Bartoszewski gibt, die wachrufen und Alternativen aufzeigen.
Ich kann nur hoffen, dass er genügend „Spirit“ an die jüngeren Generationen der Polen, an Diplomaten, Politiker und Journalisten weitergegeben hat, damit sich die Situation wieder ändert."