09/10/2023
Eines meiner Liebelingsbücher aus dem LAIKA-Verlag war SPARTAKUS von Lewis Grassic Gibbon. Fasziniert hat mich an dem Buch, dass die realen Charakteren in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit gezeigt werden und nicht als Geschichte »edler Helden«. Jede Revolte und Revolution will etwas grundsätzlich neues, beginnt aber immer mit dem Unvollkommenem. Der Mensch wird geboren und muss erst wachsen und zu sich finden. Um so mehr freut mich, dass andere an diesem Buch auch ihren besonderen Gefallen finden. So erreicht mich eine Anmerkung zu diesem Buch von Prof. Dr. Daniel Illger von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Ich darf sie zitieren aus einem Brief an die Übersetzerin des Buches, Rosemarie Nünning:
»ich wollte Dir ein paar Zeilen zu „Spartakus“ schreiben; tatsächlich ist es schon ein paar Wochen her, dass ich den Roman gelesen habe, aber er beschäftigt mich noch immer.
Ich glaube, ich müsste eine ziemlich lange Mail schreiben, um dem Buch gerecht zu werden, aber ein paar Punkte, die mich besonders beeindruckt haben, möchte ich zumindest anreißen: Zum Beispiel schafft es Gibbon, eine Geschichte von einzelnen, sehr konkreten und greifbaren Figuren zu erzählen und zugleich die Geschichte eines Kollektivs. Das eine steht nicht gegen das andere, beides bedingt sich; das halte ich für eine große künstlerische Leistung. Ich habe auch selten etwas gelesen oder gesehen, dass ein so starkes Gefühl von Wut über die Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Unterdrückung erzeugt - obendrein ohne dabei je diskursiv zu werden. Überhaupt muss ich sagen, dass ich den Roman teilweise schwer erträglich fand, aber ist ja gerade der Punkt: dass man unglaublich eindrücklich vor Augen geführt bekommt, wie wenig die Sklavinnen und Sklaven zählen.
Zugleich gibt es auch sehr viel Poesie in dem Roman. Die wiederum wird meines Erachtens, auch in der transzendenten oder metaphysischen Bildlichkeit, nie verkitscht, was sich nicht zuletzt dem Umstand verdankt, dass die Figuren, ihr Denken und Fühlen nicht komplett auspsychologisiert werden. Bei einem historischen Roman dieser Art (der also immersiv wirken will) finde ich das wichtig: Dass die Vergangenheit, obwohl aus und für die Gegenwart erzählt, nicht einfach über deren Leisten geschlagen wird, sondern eine gewisse Fremdheit und Rätselhaftigkeit behalten darf. Ich vermute, wie Spartakus am Ende mit Jesus assoziiert wird, hat Dir nicht so gefallen; für mich persönlich hat es sich stimmig angefühlt, wenn man Gibbons‘ Poetik befreiungstheologisch wendet.
Du siehst, mich hat der Roman sehr begeistert, ich habe ihn bereits weiterempfohlen, und auch Deine Übersetzung hat mir wirklich gut gefallen. Mit einem Wort: Vielen Dank!
Mit besten Grüßen
Daniel«
Und ich sage auch »Danke« für diese Besprechung.
Lewis Grassic Gibbon: SpartakusISBN 978-3-944233-84-0Erschienen im April 2017256 SeitenDen Roman Spartakus über den dritten großen Sklavenaufstand im Jahr 73 v. Chr. schrieb Lewis Grassic Gibbon 1933. Er stellt sich dabei in uneingeschränkter S…