11/10/2022
Coming-out-Geschichten sind meist herzzerreißend und spätestens beim Happy End liegen sich alle unter Tränen in den Armen. Der Begriff „Outing“ ist die Kurzversion von „coming out of the closet“ und meint, dass jemand aus dem Versteck, einem Kleiderschrank, heraussteigt und zur eigenen Identität steht.
So schön das klingt, es spiegelt nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit wider. Denn es macht unsichtbar, dass sich q***re Menschen – bedingt durch repressive Gesetze und Strukturen in Kirche und Gesellschaft – zum Teil heute noch verstecken müssen. Dass Mitglieder der LGBTQ-Community sich nach wie vor „outen“ müssen, ist ein Zeichen dafür, dass q***re Identitäten immer noch als abnormal angesehen werden.
Das Coming-out ist nicht die Ziellinie des Qu**rseins. In der Gesellschaft, in der wir heute noch leben, ist Outing ein fortlaufender Prozess, der immer wieder große Risiken birgt, bis hin zur Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit. Nicht jede*r kann sich outen, und nicht geoutete Personen sind genauso q***r, willkommen und authentisch wie geoutete Qu**rs.
Niemand sollte sich zwischen seinem Selbst und seiner Sicherheit entscheiden müssen. Das Bild einer q***ren Person, die vor ihrem Outing so gar nicht proud versteckt in einem Kleiderschrank sitzt, passt nicht. Für einige ist die eigene Coming-out-Geschichte befreiend und bestärkend. Denn sie zeigt ihnen, wie weit sie es bereits geschafft haben auf dem Weg zur persönlichen Freiheit. Das ist wichtig und soll niemandem weggenommen werden.
Aber ich glaube, es ist an der Zeit, neue Worte und Bilder zu prägen. Ich wünsche mir, dass wir aus den sprachlichen Begrenzungen heraustreten. Ich wünsche mir, dass wir Worte finden, die zeigen, dass ein Nichtmitdenken und die Falschannahme der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität anderer Menschen eine längst überholte Untat sind.
Worte formen unsere Realität. Ich möchte eine Welt gestalten, in der sich LGBTQ-Personen nicht mit dem, wer sie sind und wie sie lieben, in irgendeinem sprachlichen Schrank verstecken müssen. Wir Qu**rs sind viel zu viele, viel zu bunt und viel zu wunderbar gemacht dafür.
***r