23/01/2018
„Es muss nicht immer alles für Andreas und Susanne sein!“
Tom Hegermann und Uwe Schulz prominente Gäste beim Journalistentreff des Pressevereins Niederrhein-Ruhr.
Duisburg. Der Presseverein Niederrhein-Ruhr hat jetzt als Duisburger DJV-Ortsverband eine Traditionsveranstaltung wiederbelebt: Erstmals seit 2012 richtete er wieder seinen Journalistentreff aus. Bei dieser kleinen Talkshow-Reihe diskutierten schon namhafte Journalisten wie Gerd Ruge, Heiko Engelkes oder Günter Wallraff mit Interessierten über aktuelle Medienthemen. Diesmal waren die Radiojournalisten und WDR5-Moderatoren Tom Hegermann und Uwe Schulz dabei. Sie sprachen über die Frage: „Vom Informationsmedium zur Dudelwelle – geht Radio nur noch so?“
Die Zuschauerplätze waren gut gefüllt in der neuen Duisburger Zentralbibliothek. Die Zuschauer sollten eine angeregte Podiums-Diskussion erleben, die der Ortsvereinsvorsitzende Thomas Münten moderierte. Zunächst ging es um Veränderungen beim Radio. „Ich bin ein Mann des Wortes“, sagte der gebürtige Duisburger Tom Hegermann. Knapp 31 Jahre lang habe er beim Westdeutschen Rundfunk moderiert, darunter das Morgen- und Mittagsmagazin sowie den Montalk von WDR2. „Das war für mich der Himmel auf Erden.“
Die Aufgaben hätten sich jedoch stark verändert. So habe man früher als Moderator noch eng mit Musikredakteuren und Technikern zusammengearbeitet, und sich deshalb auf die journalistische Arbeit konzentrieren können. „Inzwischen muss die Sendung komplett von den Moderatoren gemacht werden“, vom Aussuchen von Jingles bis zum Ziehen von Reglern. Auch musikalisch habe sich viel getan: „Nur noch gut 30 Titel rotieren tagsüber bei WDR2“, dagegen habe WDR4, wo früher vor allem Schlager lief, bereits eine Tournee von Bob Dylan präsentiert.
Das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe sich gerade in den letzten zwei Jahren geändert, ergänzte Münten. „Muss immer alles gleich eine „Show“ sein?“ Grundsätzlich sei Radio heute noch mehr zur Akustik-Kulisse geworden, meinte Uwe Schulz. „Informationen holen sich die meisten heute aus dem Netz.“ Das wollte Hegermann so nicht stehen lassen. „Wie viel wichtiger wäre es, dass wir einordnen und Hintergrund bieten.“ Das aber sei kaum noch möglich. Ein durchschnittliches Interview habe früher gut sieben Minuten gedauert, heute seien es nur zweieinhalb Minuten. „Wenn man über Politik redet, kann man in zweieinhalb Minuten kein differenziertes Gespräch führen.“
„Radio heute ist oft schwarz/weiß“
Dann wird es nur noch „schwarz/weiß“ , fand Hegermann, der gerne mehr Berichte über Landespolitik hätte. Er mag überdies nicht, dass Politiker meist nur kritisiert werden, deren Erfolge würden aber nicht gelobt. Dieser Trend stärke Leute, die einfache, scharf zugespitzte Antworten geben auf Probleme, für die es keine einfachen Antworten gibt. Da musste Moderator Münten kurz seine Rolle verlassen, um für kritische, investigative Arbeit von Journalisten eine Lanze zu brechen.
Uwe Schulz, einst eine der bekanntesten Stimmen von WDR2 und heute bei WDR5, hielt dagegen: „Die AfD-Wähler sind nicht entpolitisiert, weil sie politikverdrossen gequatscht wurden von Investigativjournalisten.“ Gelten ließ er ebenfalls nicht die Kritik, dass sich der Hörfunk und besonders WDR2 als Sender mit dem größten Publikum, zu sehr an statistischen Durchschnittshörern ausrichtet. So habe der Rundfunk etwa in den 70er Jahren kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen genommen. „Die Orientierung an den Hörern ist richtig“, sagte Schulz, „aber wir müssen nicht über jede Schwelle gehen.“ Da hatte Hegermann gerade engagiert vorgetragen, dass es zuletzt oft bei WDR2 nur darum gegangen, ob das Thema auch „Andreas und Susanne“ interessiere. In der Wellenleitung habe man sich aus Umfragen und Statistiken das durchschnittliche Hörerpaar gebastelt. „Und wenn es immer nur um Durchschnitt geht, dann fehlt irgendwann die Qualität.“
Deswegen argumentierte Hegermann, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Pflicht habe, „mit wichtigen journalistischen Inhalten auch in den „Massenprogrammen“ um die Hörer zu kämpfen“. Nicht zuletzt deshalb trat er, wie auch sein Kollege, als Fürsprecher der Rundfunkgebühr auf. „Es gibt nichts, was so günstig ist wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk“, nur wüssten viele Menschen gar nicht, welche Sender und Programme er überhaupt alles biete. Die Volksabstimmung über die Rundfunkgebühr in der Schweiz sahen alle drei Journalisten mit großer Sorge.
Im Publikum saßen größtenteils Befürworter der Rundfunkgebühr, die Kritik daran, so eine Wortmeldung, sei paradox: Denn der eine Vorwurf besage, dass das Programm zu nah an dem der Privaten ist, ein anderer, dass nur Nischen bedient würden. Letztlich halte die Gebühr auch die Vielfalt beim Radio am Leben.
„Vorausahnender Gehorsam gegenüber dem unbekannten „Hörer“ darf aber nicht zu weniger Niveau führen.“ Mit diesem Gedanken resümierte Thomas Münten die launige Talkrunde. Jedoch bleiben die Besucher weiterhin Radioliebhaber – auch wenn viele mit WDR2 groß geworden sind, die sich inzwischen für den Sender zu alt fühlen und jetzt eine neue Radioheimat suchen. „Ein Programm mit klaren Inhalten, erwachsenen ModeratorInnen und vielfältiger Musik für Menschen über 40, ohne Spielchen, schlimme Musikbetten und sich ewig wiederholende Jingles, das wäre ein echtes Glück.“ Nur – danach suche man in NRW vergeblich.
Autor: Oliver Kühn