09/11/2025
Wo Liebe lebt,
bevor Mauern kommen
Ich wachse in Teheran auf –
zwischen einer Bahaiitin, meiner besten Freundin,
einem Armenier, meiner ersten Liebe,
und einer Zoroastrierin, die mir das Feuer zeigt, das nie erlischt.
Wir sind verschieden –
und doch verbunden im Wunsch, in Frieden zu leben.
Dann bricht der Iran-Irak-Krieg aus.
Kindheit wird Flucht,
Tage versinken in Stille,
Nächte füllen sich mit leisen Gebeten.
Zwischen Bomben und Angst flackert ein anderes Bild auf:
1989 erlebe ich den Mauerfall von Berlin – in Teheran.
Überall reißen Menschen Mauern ein,
kämpfen für Demokratie, für ein Leben ohne Grenzen.
Mit klopfendem Herzen spüre ich das Licht der Freiheit,
das mich bis hierher erreicht.
Meine Familie lebt in Westdeutschland –
und doch fühle ich ihre Nähe über Länder und Mauern hinweg.
36 Jahre später sitze ich in Dortmund –
umgeben von Mauern aus Angst, Hetze, Misstrauen.
Freiheit?
Frieden?
Demokratie?
Ist das, wofür die Menschen kämpften?
Heute sehe ich neue Mauern wachsen –
unsichtbar, aus Angst, Schweigen, Spaltung.
Doch wie in Macbeth, wo Macht und Furcht Mauern bauen,
die Nähe, Vertrauen und Licht verhindern,
glimmt ein Licht.
Klein, flackernd, unzerstörbar.
Ich entscheide mich für Haltung:
Brücken statt Mauern,
Menschlichkeit statt Hass,
Liebe statt Angst.
Freiheit, Frieden und Vielfalt sind es, die zählen.
Selbst im Krieg überlebt die Liebe.
Und manchmal –
ist sie die Kraft, die Mauern zum Einsturz bringt.
Text & Design: Mansoureh Rahnama