08/06/2024
KULTUR UND UNKULTUR – der Name: CLAUDIA ROTH - gestern Abend eine laue Luft in Berlin – gespannt warten wir auf die Eröffnung der großen ANDY WARHOL Ausstellung in der NEUEN NATIONALGALERIE – und weil wir, also auch ich, gebeten wurde, möglichst früh zu erscheinen, STEHT man als einer der Ersten im FOYER und schaut den anderen geladenen Besuchern beim Hereinkommen und zu. Da kamen sie Alle: Hinz und Kunst, auch Greti und Pleti, unser Pobereit, die Freunderln und Katzbuckler, die Direktoren und Professoren, viel mehr Damen im fortgeschrittenen Alter, auch viele Hipster und solche, die es sein wollen aber nichts können, ja so die gesamte Berliner Mischung.
Als Claudia Roth dann mit Wowereit und seinen Kumpanen durch die Menge schreitet und redet, wird sie laut, jaja sie liebt, sie schwärmt, sie ist begeistert. Sie sagt nichts Falsches über Warhol – naja sie kennt ihn sicher persönlich und wenn man sie kritisieren wollte, dann nur dafür, dass sie in ihrem Überschwang womöglich sich selbst mit dem Amt verwechselt. Claudia Roth kennt sie Alle, die Großen und Kleinen, sie war ja da Mäderln einer Band – eines Künstlers. Danach biegt Claudia Roth, nach kurzem freundlichen Small Talk mit der Journaille, zu einem kleinen Rundgang durch die Ausstellung ab. Ihr Referent begleitet sie – und es sieht aus, als ob sonst fast niemand hier Lust hätte auf eine Plauderei mit ihr. Was bestimmt nicht daran liegt, dass man sich den Bildern von Andy Warhol nur in schweigsamer Ehrfurcht nähern dürfte, zu viele nackte Pimmel-Bilder und abgekupferte Frauenköpfe, die eigentlich Männer waren. Das größere Problem zeigt sich nach der Eröffnungsfeier beim typischen Berliner Galaempfang mit Sekt und Bouletten. Eine Dame von den Freunden der Nationalgalerie gesellt sich zu der Runde hinzu, in der man steht, sagt ein paar freundliche Worte und dann: „Nur die Claudia Roth, die hätte es nicht gebraucht.“ Die Wichtigmacher stehen zusammen, plaudern: Claudia Roth? – Ich mag sie nicht, ich glaub ihr nichts, sie ist mir zu laut, sie geht mir auf den Wecker. So ist die Stimmung im eher linksliberalen Publikum. Dass Menschen, die sich politisch und kulturell als konservativ verstehen, Claudia Roth nicht mögen, ist vielleicht kein Wunder angesichts ihrer Vergangenheit als Vorsitzende der Grünen, angesichts des Flairs von Subkultur, Aktivismus und emotionaler Entzündbarkeit, der sie früher mehr als heute umweht. Claudia Roth, die Frisur, die bunten Kleider, die Bereitschaft, jederzeit laut zu lachen. Der dauernde emotionale Ausnahmezustand. Claudia Roth, eine Politikerin, die volksnah sein möchte – falls man bereit ist, auch das großstädtische, ökoalternative Milieu zum Volk zu zählen. Und eine Politikerin, die unterhaltsam sein möchte, wie sie zwar niemals unter Beweis stellen konnte, aber gestern Abend mit Wowi, ihn immer wieder betatschend, über die Legalisierung von Cannabis schwärmte.
Claudia Roth, die schon um die eigene Daseinsberechtigung nachzuweisen, Zuständigkeiten an sich gezogen hat: für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, für Filmförderung, Kulturgutschutz, fürs Humboldt-Forum. Und für jene sehr deutschen Aufgaben, die man „Aufarbeiten und Erinnern“ nennt. Daher muss und möchte ich die Claudia Roth jetzt mahnen, dass ihr Haus gefälligst zügiger arbeiten könnte, dass das alte Filmfördergesetz ausläuft, weshalb, wenn sie sich mit dem neuen nicht beeilt, es im nächsten Jahr gar keine Filmförderung geben könnte. Immerhin, die Arbeit ist jetzt getan, und erstaunlicherweise gibt es Leute, vorwiegend sind es Produzenten, die sie dafür loben. Effizienz ist nicht die Stärke von Frau Roth. Gerade erst hat sie sich gegen den Vorwurf gewehrt, dass sie irgendwie verantwortlich sein könnte, dafür, dass bei der Abschlussgala der Berlinale einige Preisträger den Staat Israel des Genozids und des Abschlachtens von Palästinensern bezichtigten. Gestern Abend erinnerte ich mich daran, dass vor zwei Jahren, als bei der Documenta antisemitische Kunstwerke ausgestellt wurden, Claudia Roth auch deshalb so ratlos gewirkt hat, weil sie es selbst nicht fassen konnte, dass, was gerade noch „Dritte Welt“ geheißen hatte und Ziel ihres Engagements und ihrer Sympathie gewesen war, sich jetzt „globaler Süden“ nennt und aus dem Ressentiment gegen Israel und die Juden kein Geheimnis mehr macht. Das ist womöglich immer noch eine Spätfolge jener Abstimmung im Bundestag im Jahr 2019, bei der die Mehrheit der Abgeordneten der antiisraelischen Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) bescheinigte, antisemitisch zu sein. Claudia Roth stimmte damals nicht zu, weil sie meinte, dass es dort zwar antisemitische Tendenzen gebe, man die ganze Bewegung aber nicht pauschal verurteilen dürfe.
Das war vor dem 7. Oktober und dem Krieg in Gaza. Dass sie seither keine Gelegenheit ausgelassen hat, der ermordeten Juden zu gedenken und die lebenden Juden zu preisen, zu umarmen, ihrer Solidarität zu versichern, hilft der Kulturstaatsministerin wenig, denn das wäre ein Thema, bei denen man ohne Streit keinen Schritt weiterkommt. Es gäbe Streit mit migrationsskeptischen Konservativen, für die jeder Muslim unter dem Verdacht steht, ohnehin Antisemit zu sein. Es gäbe erst recht Streit mit der postkolonialen und nicht gerade israelfreundlichen Linken, die jede differenzierte Betrachtung der deutschen Kolonialgeschichte nur als Versuch werten wird, deutsche Schuld zu relativieren und die Verantwortung für die globalen Folgen des Kolonialismus zu verdrängen.
Sehr geehrte Frau Claudia Roth, darf ich sie nach dem gestrigen Abend in der NEUEN NATIONALGALERIE erinnern, dass Politik etwas anderes ist. Politik ist Streit mit Gegnern, die nicht das absolut Böse verkörpern – gegen die man sich aber trotzdem durchsetzen muss. Solchen Streit zu wagen, das würde, nur scheinbar paradoxerweise, womöglich die Leute aus dem Kulturbetrieb wieder mit ihnen versöhnen. Dann würde sich die Kultur-Gemeinde nicht fragen müssen: Was macht die Frau Roth denn da? Sonst bleibt nur eines übrig: KULTUR UND UNKULTUR – der Name: CLAUDIA ROTH: