01/12/2019
Welche Trichinengefahr geht von welcher Wildart aus?
Diese Frage habe ich mir immer wieder gestellt, wenn man (zumindest in Jägerkreisen) immer öfters von Experimenten liest, wie rosagebratene Krähenbrust, gegrillte Krähenburgerpatties, Waschbärbraten oder Stakes aus der Dachskeule geschnitten 😱 🦡 🦝
Auch bei der Diskussion über den vegetarisch lebenden Biber, der in manchen Bundesländern der Trichinenbeschau unterworfen ist, konnte ich den Grund nicht verstehen (die Tierärztin auf dem Amt war selbst etwas perplex, was sie bei der Biberprobe auf dem Formular ankreuzen soll 😅).
Trichinen sind winzige Fadenwürmer, die als lebensmittelbedingte Zoonoseerreger (vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheitserreger) beim Menschen eine Trichinellose auslösen können. Diese Erkrankung äußerst sich durch Darm-Beschwerden ca. eine Woche nach dem Fleischkonsum, gefolgt von Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, bis hin zu Ödemen, Blutungen, Herzmuskel- und Gehirnentzündungen.
20 Tage nach dem Verzehr des infizierten Fleisches wandern die frisch geschlüpften Larven zu tausenden aus dem Darm in die Muskulatur hinein, kapseln sich dort mikroskopisch klein ab und überdauern in diesem Stadium bis zu 30 Jahre, in denen die Larven darauf hoffen, dass ihr Wirt stirbt/gestreckt/geschlachtet wird und sein Fleisch wiederum von einem Fleischfresser gegessen/gefressen wird. Dann ginge der Zyklus weiter.
Bei der Risiko-Recherche in der Literatur stieß ich auf folgende Informationen:
Es wird nur als Risiko von Tieren gesprochen, die erstens Trichinen haben können (das sind ziemlich viele) und zweitens vom Menschen in großen Mengen, zum Teil auch roh (zu wenig erhitzt) verzehrt werden.
Krähen, Waschbär etc. spielt deshalb keine Rolle in den Untersuchungen. Eine Ausnahme bildet der Fuchs; da gibt es eine relativ gute Datenbasis, obwohl er kaum gegessen wird, da er als wildlebender Fleischfresser als Hauptüberträger fungiert. Das Wirtsspektrum der Trichinen ist jedoch wesentlich breiter; jede Spezies, die sich teilweise von Fleisch oder Aas ernährt, kann von Trichinen befallen sein.
Trichinenerkrankungen beim Menschen treten generell sehr selten auf: in Deutschland kommt es pro Jahr im Mittel zu drei klinischen Erkrankungen (Quellen: Robert Koch Institut, 2019). Um den Menschen gesundheitlich zu gefährden reicht es nicht eine einzelne Zyste mit der enthaltenen Larve im Muskelfleisch zu essen: um Symptome zu entwickeln wird von einer infektiösen Dosis von >100 Larven ausgegangen. Für einen schweren Krankheitsverlauf braucht es >1000 Larven.
Die wenigen humanen Trichinellosen die es gibt, kommen jedoch meist dann vor, wenn Menschen, die nicht mit den lokalen, gewachsenen Ernährungsbräuchen vertraut sind sich an die Fleischzubereitung machen. Zum Beispiel in Gegenden wo nicht auf Trichinen getestet wird, jedoch Wildfleisch prinzipiell nur gut durchgekocht gegessen wird und nun (Jagd)touristen ihr Stück Fleisch nur rosa braten, wie zum Beispiel Bär und Puma in Canada. Wenn plötzlich Fleisch als rosa gebratene Delikatesse gegessen wird, was die Einheimischen als minderwertig einstufen, wie zum Beispiel Muntjak in England. Wenn plötzlich Krähenbrust kurz gebraten oder als Burger Pattie angepriesen wird, oder wenn Tiere wie der Waschbär neue Gegenden erobern und dort neu auf den Speiseplan kommen.
Nur ca. 0,003% der Wildschweine haben heut zu Tage in Deutschland noch Trichinen (trotzdem wird jedes Wildschwein getestet!), während in diversen Studien ca. 50% der Füchse, Waschbären, Wölfe, Luchse und Marder von Trichinen befallen sind (Quellen: Acta Biol. Univ. Daugavp. 12 (1) 2012; Robert Koch Institut, 2019).
Trichinen werden beim Erhitzen auf Temperaturen über 70 °C im Kern über eine Minute sicher abgetötet (rosa= unter 70 Grad!). Einfrieren, Pökeln, Räuchern und Trocknen gilt nicht als sichere Methoden um Trichinen ab zu töten (Quelle: Robert Koch Institut, 2019).
Jetzt geht es ins Detail: 😅
Es gibt verschiedene Trichinen Arten und mittlerweile steht fest, dass mehrere von ihnen dem Menschen gefährlich werden können.
Ein wichtiger Unterschied ist jedoch die Hülle: behüllte Zysten (z.B. T. spiralis: v. a. Säugetiere als Wirt) sind extrem resistent gegen äußere Einflüsse und überleben auch die Tiefkühltruhe, während unbehüllte Arten (z. B. T. pseudospiralis: v. a. bei Vö**ln vorkommend) durch einfrieren unschädlich gemacht werden kann.
Bei dem Verzehr von Krähenvögeln könnte das Fleisch durch einfrieren vor dem Verzehr also sicherer gemacht werden; beim Waschbär hingegen hätte dies keinen Einfluss.
Dennoch gilt natürlich auch für Wildbret von Krähen die Untersuchungspflicht auf Trichinen; es werden je nach Vet. Amt genau so 10g Muskelfleisch pro Tier gefordert und auch die Kosten fallen an... so wird der Krähenburger kostentechnisch schnell zur Delikatesse, bei 10-15€ Untersuchungskosten auf 120g Krähenbrust 🙈
Die Situation im DACH-Raum:
In Österreich gab es 1970 den letzten humanen Fall, nachdem ein Hausschwein gegessen wurde, dem ein Fuchs verfüttert wurde 🙄 🦊 🐷
In Deutschland gelten Nutztiere als Trichinen-frei, es gibt jedoch einen „Wildtierzyklus“ mit T. spiralis, T. britovi und T. pseudospiralis.
Wildtiere sind wie folgt betroffen:
1. Waschbär mit 5%
2. Fuchs mit 0,08-0,22%
3. Wildschwein mit 0,099%
(Quelle: ITRC)
Humane Infektionen kommen sehr selten vor und stammen in der Regel vom Verzehr von Wildschwein oder Hinterhofschweinen (Littman et al., 2006).
In der Schweiz konnten auch beim Luchs und Wolf Trichinen nachgewiesen werden. Bei Mensch und Haustieren gab es seit 50 Jahren keinen Krankheitsausbruch mehr.
Fazit?!
-Potentiell betroffenes Fleisch im In- und Ausland sollte nur gut durch gegart verzehrt werden, außer es wurde untersucht und für Trichinen-frei befunden.
-Die Erkrankung beim Menschen ist extrem selten.
-Warum der Biber mancherorts beschaut werden muss, blieb mir trotz intensiver Literatur Recherche ein Rätsel; falls Ihr mehr dazu wisst, bitte in die Kommentare schreiben 😊