28/11/2022
Daniel Karlsson Trio @ Fürstenfeld, Veranstaltungsforum, 23. November 2022
KultKomplott / Donnerstag 24.11.2022
Fürstenfeld: Daniel Karlsson Trio – Rauschähnliche Zustände
Fürstenfeld. Dieser Tage ist ein neues Album von einem der vielleicht swingensten und flinkesten Pianisten des Jazz erschienen. Es ist eine posthume Aufnahme Oscar Petersons, ein Mitschnitt aus dem Jahr 1971 aus Zürich. Und wie die meisten von Petersons Einspielungen präsentiert sich der hünenhafte Kanadier auch hier im Klaviertrio, des Pianisten liebste Besetzung.
Mit Sicherheit kennt auch Daniel Karlsson Oscar Peterson, der übrigens nach einem Schlaganfall 1993 folgende Konzerte nur noch mit der rechten Hand spielte! Doch der Schwede Karlsson hat, trotz gleicher Besetzung, einen völlig anderen Zugang zu seinem Instrument. Er übersteigt engagiert die Grenzen des Jazz und wildert ganz unverhohlen auch in Bereichen, die von Pop und Rock bestimmt sind. Das hat auch einen speziellen Reiz, wie am gestrigen Mittwoch in Fürstenfeld zu erleben war, auch wenn das Ergebnis eines solchen Klavierabends völlig anders ausfällt und klingt, als beim swingenden Peterson.
Karlsson, der neben dem Klavier auch immer ein wenig elektronisches Equipment nutzt, hatte mit Christian Spering (Bass) und Fredrik Rundqvist (Schlagzeug) zwei Musiker an seiner Seite, die ihrem Leader absolut verlässliche Begleiter sind, die ihm den musikalischen Weg rhythmisch pflastern, die stets an seiner Seite das Kraftvolle in der Musik stützen und die Balladen mit nuancierter Begleitung aufwerten.
Karlsson ist ein Meister der melodischen und harmonischen Herausforderung. Zwar starten alle drei Instrumentalisten zu Beginn einer (Karlsson-)Komposition oft von unterschiedlichen Ausgangspunkten. Doch sie bewegen sich im Laufe des Stückes zwingend aufeinander zu. Sie tasten sich nach einer verspielten kurzen Weile voran, suchen und finden erst den Nebenmann, dann einen gemeinsamen Flow, modifizieren ihn in den unterschiedlichsten Variationen und gelangen letztendlich in einen rauschähnlichen musikalischen Zustand, der eine Ewigkeit andauern könnte. In dieser dionysischen Spielekstase passieren besonders im 2. Set die unglaublichsten Wechsel und Verschiebungen in der Musik. Oft im kleinen, aber sie verändern zusammenfassend schon deutlich die Richtung der Musik. Karlsson erinnert in seinem Spiel dann stärker an seine skandinavischen Landsleute Jacob Karlzon oder auch den schon 2008 so tragisch verunglückten Esbjörn Svensson. Auch ihr Swing ist eigentlich ein treibender, provozierender Groove, mit leichten Rockschattierungen und sie sind in der Umsetzung und dem variieren ihrer Themen einer hymnischen Ekstase näher als jeder Form der Atonalität. Man könnte auch bei Daniel Karlsson und seinem Trio deutlich von einer europäischen Auslegung des amerikanischen Jazzgedankens ausgehen. Hier finden zeitgemäße (populäre) Strömungen in die Traditionen des Jazz Eingang, ebenso leichte Querverbindungen zum Blues, die aber alle weit über reines Virtuosentum und die klassischen Blue Notes hinausgehen. Das kreative Gewicht einer solchen Herangehensweise ist künstlerisch nicht stärker zu bewerten, sondern anders. Im Grunde nur eine Facette im universalen Kanon zeitgenössischer Musik. Das Publikum im fast ausverkauften wunderschönen Kleinen Saal des Veranstaltungsforum Fürstenfeld war begeistert.
Jörg Konrad