21/11/2024
Was uns an Joan Nestle im gesamten Jahr, in dem wir an „Begehren und Widerstand“ gearbeitet haben, beeindruckt hat, ist ihre Bereitschaft mit erneuertem Blick auf die Vergangenheit – auch die eigene – zu schauen. Dabei schafft sie es sowohl die Errungenschaften als auch Versäumnisse klar auszuleuchten und sich weder in Rechtfertigungen noch Verurteilungen zu verlieren.
Das wohl beste Beispiel ist der Text „Relektüre der Geschichte von Esther“ (Übersetzung von Sabine Fuchs) in dem Joan ihr früheres Schreiben aber bspw. auch Aspekte der frühen Schwulen- und Lesbenbewegung neu bewertet.
„ ,Ihr habt die Chance, es anders zu machen‘, erinnere ich mich gesagt zu haben. Hinter diesen Worten stand meine Überzeugung, dass, wenn wir als lesbisch-feministische Frauen und als Lesben- und Schwulenbewegung in den dreißig Jahren seit Stonewall einiges anders gemacht hätten, Chelsea und ihre Genoss*innen in den 1990er-Jahren nicht um ihre Grundrechte kämpfen müssten. Aber wir sind uns so sicher gewesen zu wissen, wer eine „Frau“ und wer ein „Mann“ ist, was Geschlecht bedeutete und was nicht, was uns peinlich berührte und womit wir uns, auf unsere eigene sonderbare Art, wohl fühlten.“
!B „Es ist eine der komplexen Ironien von Befreiungsbewegungen, dass ihre leidenschaftlichen Gewissheiten oft die Notwendigkeit für zukünftige inklusivere Visionen von Emanzipation schaffen.“ Joan Nestle übersetzt von Sabine Fuchs