31/10/2024
SARKOPHAGE
»Wo laufen die lockigen Jungfrauen hin
die Amphoren gefüllt auf Schultern tragen,
mit ihrem leichten, entschlossenen Schritt;
der Talmund wartet am Grund
vergeblich auf Ankunft
der Schönen, die hinter Pergolen glitten
und im Schatten sitzen.
Die Trauben hängen und schwitzen.
Die Sonne, sie steigt,
und farblos neigen
sich die durchsichtigen Hänge: in milder Minute
rührt die vom Blitz gerührte Natur,
Mutter, nicht Stiefmutter,
glücklich die eigene Kreatur.
Leicht sind die Formen.
Welt, die schläft, oder die ruhmreiche Welt
von unbewegtem Sein wer kann sie nennen?
Der Mensch vergeht und du, gib ihm
das stärkste Ästchen aus deinem Garten.
Dann folge: In diesem Tal
gibt es keinen Wechsel von Licht und Dunkel.
Deine Straße führt dich weit weg von hier.
Asyl - keines für dich; viel zu tot bist du dafür.
Dem Lauf deiner Sterne bist du gefolgt.
Also dann, adieu, ihr lockigen Kinder,
die ihr Amphoren gefüllt auf Schultern tragt.«
Aus: Eugenio Montale - Die Knochen eines Tintenfisches
Erhältlich auf unserer Website:
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