16/04/2024
Das Wirtshaus wird nicht sterben
Klemens Schramml betriebt in Grossraming ein Restaurant, das in diversen Restaurantführern regelmäßig hohe Bewertungen erhält. Im Interview spricht der Spitzenkoch über die Zukunft der Gastronomie.
Ihre Eltern haben ein Wirtshaus betrieben. Wie war das für Sie persönlich?
Es hat uns an nichts gefehlt, es war immer lustig und die Stammgäste brachten immer spannende Geschichten ins Haus.
Warum haben Sie sich für einen anderen Weg entschieden?
Es ist kein anderer Weg, sondern mein Weg, mein Handwerk, und ich mache das, was jeder gute Handwerker machen würde. Man gibt sein Bestes. Der Elektriker sorgt dafür, dass die Stromverteilung jahrelange Funktionalität aufweist. Der Installateur achtet darauf, dass nichts tropft, und wir Köche kümmern uns um die Kultur, die Gespräche, das echte Zusammenkommen und Feiern. Das Belohnen gehört genauso dazu wie harte Arbeit. Wir produzieren Wertschätzung und Respekt, dabei biete ich persönlich einen neutralen Raum, in dem jeder gleich ist. Ob König oder Bauer, in meinem Restaurant werden alle gleich behandelt.
Ist das klassische Wirtshaus am Aussterben? Und warum?
Man sollte sich erstmal fragen, was Klassik ist. Ich denke, Wirtshäuser mit Kultur überleben, wenn die sogenannte Kultur aber Gruppen ausschließt, ist die gesamte Idee Wirtshaus in Gefahr. Das Zusammenkommen und das Kommunizieren stehen bei guten Wirtshäusern im Mittelpunkt. Wenn aber jeder neue Gast schräg angeschaut wird, weil man ihn nicht kennt, dann wird es kritisch. Gastfreundlichkeit sollte ganz oben stehen, denn das ist die Geschäftsbasis. Weiterhin muss man vor allem als Wirt eine neutrale und starke Meinung haben, nur so schafft man es auch über Jahre, sich nichts diktieren zu lassen, vor allem nicht die Preise. Weiters muss man smart arbeiten; die "alten Wirten" waren supersmart. Der Moment, wo jeder andere schuld ist an individuellen Umständen außer man selbst, ist ein weiterer Punkt, wo die Alarmglocken läuten sollten. Alkoholkonsum während der Arbeitszeit oder keine ordentliche Stundenkontrolle lassen die Zeiten verschwimmen, ein sehr gefährlicher Umstand. Aber grundsätzlich muss man sagen, das Wirtshaus wird nicht aussterben. Das ist in Österreich nicht nur eine Kultur, sondern es wird gelebt. Allein die Diskussion darüber sorgt dafür, dass die Wirtshauskultur nicht in Vergessenheit gerät. Die einheimischen Gäste haben letzten Endes viel Toleranz und Verständnis. Sie möchten kommunizieren und nicht alles per WhatsApp-Nachricht austauschen.
Ist das nicht schade?
Schade ist es immer, wenn ein Lokal schließt, aber wenn man jahrelang seine Preispolitik nicht anpasst und sich nicht auch etwas auf die Freizeit konzentriert, wird es schwer. Große Preisanpassungen sind immer ein Problem, egal in welcher Branche. Da wird der "Generationen-Sprung" noch schwieriger.
Was würden Sie anderen Wirten raten?
Bleibt offen, werdet smarter, macht euch Gedanken über eure Meinungen. Ihr werdet danach gefragt. Arbeitet mit digitalen Systemen wie Reservierungssystemen. Es heißt nicht, dass dann alles reserviert sein muss, aber die Gäste, die reservieren, erwarten sich einfach mehr als jemand, der einfach schnell per Zufall reinfällt. Überlasst euer Geschäft nicht dem Zufall! Schreibt To-do-Listen und benutzt sie auch. Das Büro muss immer perfekt sein, keine anstehenden oder hinausgeschobenen Aufgaben. Optimiert eure Öffnungszeiten und macht auch mal frei. Ihr könnt mit den Gästen dann auch über sowas reden. Ich selbst bin in einem Wirtshaus aufgewachsen und kenne die Thematiken.
Wohin wird sich die Gastronomie entwickeln? Stichwort Haubenlokale und Fast-Food.
Fast-Food wird immer bleiben, Haubenlokal auch. Beides kann gutes Essen sein. Man sollte sich mal fragen, was noch vor 10 Jahren so beim Fast-Food auf dem Menü war. Das hat sich schon grundlegend geändert. Es ist letzten Endes eine Frage der Kultur. Lege ich Wert auf meine Kultur, möchte ich auch einen guten Service. Möchte ich einfach meinen Hunger stillen, kann ich auch aus einem Karton essen, nur meinen Hunger stillt der Schachtelwirt nicht. Aber ein Würstelstand mit Pilzalternativen zur Burenwurst oder ein Schwammerlgulasch ist für mich halt auch Fast-Food. Das Haubenlokal hängt vor allem dann noch von den Gastgebern ab, hier eine weitere Parallele zum Wirtshaus. Wenn Service, Kulinarik, Kultur und Gastgeber zusammenpassen, bin ich auch bereit, mehr Geld auszugeben. Das macht dann richtig Spaß! Doch der wahre Luxus ist doch am Abend im Haubenlokal, ein großartiges feines Frühstück und am nächsten Tag im Wirtshaus eine Forelle essen und darüber flanieren, welche kulinarischen Exoten man wieder serviert bekommen hat. Jeder hat seine Berechtigung.
Wo steht Österreichs Gastronomie im internationalen Vergleich?
Wir sind super unbekannt. Die österreichischen Köche werden sehr gerne eingestellt, wir sind für unser Handwerk in der internationalen Gastronomie heiß begehrt. Allein schon kulturell, denn Wien ist für die Innereien, was Alba für die weißen Trüffeln ist. Doch während des piemontesischen Städtchens zu seinen teuren Bodenschätzen kommt wie die Jungfrau zum Kind, nämlich durch eine Laune der Natur, war es in Wien das Habsburger Imperium, das die einmalige Küche dieser Stadt so nachhaltig geprägt hat. Die ersten offiziellen Kochwettbewerbe der Welt wurden ausgetragen und europäische Köche trafen sich in Wien, um sich auszutauschen und zu messen. Im 15. Und 16. Jahrhundert brachten Alpsennen ihre überzähligen Käse ins Tal zum Verkauf, nur um mal zu wissen, wo wir in der Geschichte stehen. Wir haben Kochen und Kochkultur im Blut wie die Schweizer den Käse. Das ist unsere Stärke, und die werden wir nun auch international zeigen.Für den Guide Michelin Austria mache ich mich seit Jahren stark, nicht nur um Sterne zu kochen, sondern vor allem, um viele Betriebe international zu zeigen. Man kann egal von wo auf der Welt, über seinen eigenen Internetzugang sehen, wie gut unser Essen ist. 2009 waren auf dieser Liste insgesamt 1700 Betriebe, darunter 400 Sterne-Restaurants. Die "Recommended List" ist der Mehrwert. Hier sind vor allem gute Wirtshäuser gelistet, die Basis unserer Küche. Junge Köche, die wir selbst im Land ausbilden, haben so die Möglichkeit, sich auch zuhause zu messen, und können nach den Wanderjahren zurückkehren, ohne etwas auf der Strecke lassen zu müssen. Es gibt mehr Chancen für alle, mehr kulinarischen Tourismus für Österreich und das für einen vergleichsweise minimalen Betrag an Werbeausgaben. Deshalb habe ich mich seit 2018 politisch stark gemacht. Unsere mittlerweile kleine kulinarische "Taskforce" hat viele Stunden investiert, um unsere Basis zu stärken. Öffnet euer Herz, euren Geist. "Sats Freindlich" macht, was ihr wirklich wollt. Und zu guter Letzt, was vom Opa! "Wer si hint und vorn ned auskennt, muas in da mittn aufaunga."