27/06/2024
Wie Amy Liptrot bin ich eine Mondfreundin. So beginnt das neue Memoir der Autorin mit einer 🌕 Begegnung ungewöhnlicher Art: „Ich kriege Textnachrichten vom Mond. Auf meinem Handy leuchtet die Frage auf, ob der Mond meinen Standort verwenden darf, und ich stimme zu.“ Das ist keine fantastische Geschichte, viel mehr der Weg einer Frau, die ihre persönlichen Lebenskoordinaten sucht - und dabei die Natur wie eine vertraute Freundin an ihrer Seite hat.
Ihre Recherche führt sie nach Berlin. Dort flaniert die Ich-Erzählerin durch die Hauptstadt, beobachtet Vögel. Vor allem Habichte sind ihr nah. Sie findet die Raubvögel auf dem Tempelhofer Feld und in Parks. Irgendwann geht das Tier in ihre DNA über, so dass sie die Stadt aus der Sicht eines Habichts beobachtet. Und noch etwas treibt sie um: die Suche nach einem Waschbären. In Berlin leben über 800 Waschbärenfamilien. Verrückt, oder?
Die Erzählerin spürt verschiedene Orte auf. Alle Berlin- verbundenen Menschen werden wohlig seufzen wie solche, die sich nach dieser einzigartigen Stadt sehnen. So fühlt sich „Wilde Geschöpfe“ an wie ein sinnlicher, naturnaher, nachdenklicher und mitunter rauer Spaziergang. Wir sitzen vor Späties, hören verschiedene Sprachen, tanzen schwimmend im Berghain. Manchmal ist sie allein, ein anderes Mal nicht. Stets dabei - der Mond in verschiedenen Variationen: Jägermond, Hungermond, Wolfsmond...
Die Lektüre ist tröstlich, erheiternd, liebkosend, aber genauso schonungslos und berührend. Denn Berlin ist trotz aller Romantik selbst ein Raubtier. Wie gut, dass die Hauptstadt auch viele Tiere beheimatet und sich etliche grüne Zungen durch den Beton hindurchschlängeln. So erinnert Amy Liptrot uns daran, öfter mal den Blick ins Grüne zu richten, innezuhalten im Lärm der Großstadt. Und Herrn Mond zuzulächeln, der Wächter aller Schlaflosen und Verträumten.
Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Münch.
Foto: TinaS
Btb Verlag Penguin Bücher