26/03/2024
Wir hatten das Vergnügen in der derzeitigen Ausgabe #38 des "Proud to be Punk" Zines teilhaben zu dürfen. Auf stolzen vier Seiten haben wir uns über die Underground-Szene in Chemnitz ausgelassen.
Besten Dank an Jan Sobe für die Möglichkeit, den Karren etwas aus dem Dreck ziehen zu können.
Den gesamten Text gibt's hier. Viel Spass beim Lesen.
Alle Links zu den genannten Bands, Locations und Strukturen befinden sich am Ende des Beitrages.
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THIS IS CHEMNITZ NOT LEIPZIG
Denkt man an die Szenestrukturen in Sachsen, so kommen einem zweifelsohne sofort Leipzig oder Dresden als Hotspots in den Sinn. Angesichts der Fülle an Bands und der Dichte der Konzertschuppen, die vor allem die Messestadt vorweisen kann, ist das ja auch kaum verwunderlich. Die dritte sächsische Großstadt erfährt im Vergleich dazu wenig Beachtung oder wird schlichtweg gleich ganz vergessen: Chemnitz. Nun gut, Chemnitz wird in den Medien und der Öffentlichkeit zweifelsohne auch eher mit dem dort schon seit Jahrzehnten bestehenden rechten Strukturen als mit einer vielfältigen alternativen Szene assoziiert: der rechte Schlägertrupp HooNaRa mitsamt der Haller Security, die überwiegend rechtsgesinnte Fanszene der CFC, Chemnitz als einer der Orte, an dem der NSU untergetaucht ist, Nationale Sozialisten Chemnitz, der Rechte Plenum, die Freien Sachsen unter der Führung von Martin Kohlmann und nicht zuletzt die rassistischen Ausschreitungen und Hetzjagden in Anschluss an den Tod von Daniel H. auf dem Chemnitzer Stadtfest 2018 - die unvollständige Lister rechter Scheiße ist lang und erweckt nicht unbedingt den Eindruck, hier gern leben zu wollen.
Nichtsdestotrotz existieren auch seit jeher Formen und Strukturen alternativer Subkultur, die in den vergangenen Jahren wieder spürbar an Vielfalt und Lebendigkeit gewonnen hat. Das Interessante an Chemnitz ist zweifelsohne die Tatsache, dass die einzelnen subkulturellen Szenen stärker als in anderen Städten miteinander verschmelzen und nicht starr voneinander abgegrenzt sind. Neben dem Anliegen, den Blick nicht immer nur auf Leipzig oder Dresden, sondern eben auch über den üblichen Szenetellerrand hinaus - in diesem Fall eben auf Chemnitz - zu richten, ist die bunt gemischte Vielfalt der Chemnitzer Szene ein weiterer Grund, selbige einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Tja, und wer könnte das besser als jemand, der quasi mitten im Geschehen agiert? Aus diesem Grund hat sich Lars - seines Zeichens Gitarrist bei O.U.T. und einer der beiden Betreiber von FU**ED records - dankenswerter Weise die Zeit genommen, euch auf eine kleine Reise kreuz und quer durch das subkulturelle Chemnitz mitzunehmen. Los geht's!
Es wird zwar immer behauptet, dass Chemnitz schon sehr lange tot sei (und das auch von vielen Chemnitzer_innen selbst), aber dennoch gibt es recht viel szenerelevantes in Chemnitz. Manchmal sogar zu viel, je nach dem auf was man so steht oder ablehnt. Wir jedenfalls stehen auf Punk, Metal, Rock und Kunst aus der Tonne. Daher gibt's auch seit 2020 unser D.I.Y.-Label FU**ED records, mit dem wir uns lediglich einen Grund zum "niemals alt werden" geschaffen haben und immer noch wie in den Jugendtagen im Proberaum abhängen, trinken, Mucke machen, Platten hören und selbstgemalte Sticker verteilen. Nur hat das mittlerweile einen Hauch von "Business" bekommen, den wir aber meist mit einer angemessenen Bierfahne wegpusten können.
Der Labelalltag besteht häufig aus dem Warten, bis jemand eine Bestellung auslöst. Dann fangen wir an zu schwitzen und haben schon keinen Bock mehr auf den Mist. Aber wir sind ja selber Schuld und legen uns dann doch immer voll ins Zeug, um unsere liebsten Kund_innen zu beglücken. Bei jeder Bestellung gibt's einen persönlichen handgeschriebenen Gruß unseres Label-Sternchens Chris, der übrigens auch ein wahrer Held am Schlagzeug ist und in fast allen Bands Deutschlands spielt. Everybody's Darling sozusagen. :)
Was uns zum nächsten Thema bringt. Nicht nur das Label macht Chemnitz schöner, sondern auch die Musiker_innen, die weiterhin in Chemnitz für Krach sorgen. Da gibt es ein paar hörenswerte Sauhaufen, zum Beispiel: Frisur in Dur (authentische 80er-Jahre-Deutschpunk-Cover), Abyssous (Death Metal), Morbus Kinski (Doom/Sludge), The Royal Booze Conspiracy (Rock'n'Roll/Heavy Rock), Spittin Bones (HC-Punk), O.U.T. (HC Punk/Surf), VICTIMS OF CLASSWAR (Crust-Punk/Black Metal), 1/2 von DŸSE (Noise-Rock), Lousy (Streetpunk), Trafficcarpet (Stoner/Psychedelic Rock), L'appel Du Vide (Post-Punk), Night Miasma (Dark Punk/Punkrock), Suralin (Alternative Rock), Mvrmansk (Screamo-Hardcore) ...
Checkt bei näherem Interesse doch einfach mal die Bandcamp-Seiten der gerade aufgelisteten Kapellen aus Chemnitz. Die meisten der genannten Bands sind dabei wahre Helden_innen der hießigen Untergrund-Szene. Dazu gesellen sich noch Bands, die allerdings nicht viel auf die Kette bekommen.
Aber was sind schon Bands ohne Bühne? Ja, wahrscheinlich sind sie verloren, aber zum Glück hat Chemnitz da noch etwas zu bieten. Zu erwähnen sind da der B-Hof, das AJZTalschock, der Subbotnik, die Zukunft, das Nikola-Tesla (R.I.P.), das aaltra, das Atomino, das Lokomov, das AC17 (R.I.P.), der Wagenplatz und der Palast aller Underground-Clubs: der Dead Red Chicken Doom Saloon. Übrigens gab es auch eine unregelmäßige Wiedereröffnung des legendären Subway to Peter. Diese Kellerbar hat Weltstatus erreicht und ließ über 20 Jahre lang internationale Bands gegen Hutspende in einer dunklen Ecke spielen. Das war immer ein Besuch wert. R.I.P. Bunker übrigens. Nicht nur der Bunker musste in den letzten zehn Jahren schließen, da gab's außerdem noch die Alfredstraße, legendäre Parties in der Imme, den Dachboden eines Wohnprojektes in der Karl-Immerman-Straße, die REBA, bei dem es sich um ein Haus- und Kulturprojekt auf der Reitbahnstraße gehandelt hat, das zudem immer gut als Vorglüh-Zwischenstopp war, bevor es in den Südbahnhof ging. Aber wir schweifen ab.
Viele dieser Gruppen und Organisationen haben sich nach den rassistischen Ausschreitungen 2018 zu dem nachhaltigen Kulturbündnis Hand in Hand zusammengeschlossen, um unter der Flagge "Wir sind mehr" ein antifaschistisches Gegengewicht zu den rassistischen Mobilisierungen zu bilden, welches internationale Aufmerksamkeit hervorgerufen hat. Diese Bühnen waren der Startschuss für ein "neues" Zusammenwachsen der Szene.
Des Weiteren gehören heutzutage einige kurzfristige "Bühnen" in diversen Proberäumen oder Hausgemeinschaften wie der H17 (R.I.P) zum Chemnitzer Stadtbild. Zu erwähnen sei auch der Konkordia-Park, ein Spot für Skater_innen, auf dem früher auch gelegentlich Konzerte stattgefunden haben, sowie der Brühl, der nach 30 Jahren endlich wieder von vielen Geschäftstüchtigen belebt wurde und somit zu einem äusserst angenehmen Kiez umstrukturiert wurde, wie man u.a. an der gemütlichen Balboa Chemnitz bemerken kann. Auf dem Brühl veranstaltet der Bandbüro Chemnitz e.V. auch regelmäßig seine "Musikmeile". All diese Locations sind es, die die lokale Szene zusammenbringen und sie am Leben halten.
Nicht ganz zur Szene gehörend, aber erwähnenswert ist das "Fuego a la isla" Festival auf der Schlossteichinsel, die Spinnerei Chemnitz, die früher eine coole Konzertlocation war, mittlerweile aber leider eher ein Platz für Stino-Partys ist, der PEB Club, der FPM-Club und der B-Plan Chemnitz, welcher seit langem einen Treff für Gothic-Partys bildet.
Wer in Chemnitz oder Umgebung wohnt und regelmäßig auf dem Laufenden gehalten werden möchte, was Konzerte und andere szenerelevante Veranstaltungen betrifft, kann sich darüber übrigens im Sub KMS ([email protected]) informieren. Dieser kleine DIY-Newsflyer im mehrseitigen A5-Papierformat, der neben Terminen auch politische Beiträge enthält, liegt monatlich in verschiedenen Locations zur kostenlosen Mitnahme aus.
Neben den genannten Bands und Konzertlocations darf natürlich auch Its Eleven Records nicht vergessen werden, handelt es sich neben FU**ED records doch um ein weiteres Underground-Label samt dazugehörigen Mailorder, dessen Fokus auf Punk, Hardcore, Post Punk, Garage, Rock'n'Roll und Artverwandtem liegt.
Darüber hinaus hat Chemnitz mit Underworld Recordstore Chemnitz auch einen bereits seit 1995 bestehenden Plattenladen zu bieten, der mittlerweile in der Hartmannstraße 3a in der Chemnitzer Innenstadt ansässig ist und dessen Angebot neben allerlei anderen Musikgenres auch eine kleine Abteilung für Punk-, Hardcore-, Oi!- und Post-Punk-Scheiben für alle Interessierten parat hält.
Darüber hinaus leistet das Bündnis Chemnitz Nazifrei schon seit etlichen Jahren wichtige antifaschistische und antirassistische Recherche wie auch Aufklärungsarbeit und trägt antifaschistisches Denken und Handeln in Form von Infoständen, Kundgebungen oder Demonstrationen in die Öffentlichkeit. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch der Antifaschistischer Jugendkongress Chemnitz, der in diesem Jahr bereits zum siebentem Mal im AJZ stattfinden konnte und alljährlich zahlreiche Vorträge und Workshops zu verschiedenen politischen Themenbereichen anbietet.
Randnotiz: Auch die Peripherie rund um Chemmnitz bringt schon seit Jahren ziemlich geile Punk-Bands hervor: Stichwort Asselterror und die Rochlitz-Crew, die sich zudem von Beginn an der dörflichen brauen Gesinnung erfolgreich in den Weg stellen. Außerdem bereichern unter anderem auch die Menschen des Infoladen La Bombonera in Limbach-Oberfrohna, des Café Taktlos in Glauchau, der Barrikade in Zwickau, der Unanbeatbar in Schwarzenberg, des Projekt Schuldenberg in Plauen oder des ImI e.V. Brand-Erbisdorf das Bild der Chemnitzer Szene, indem sie sich einerseits als Gäste blicken lassen und andererseits auch eine Verbindung zwischen Chemnitz und der Provinz herstellen.
Jedenfalls fänden wir es viel zu schade, Chemnitz seinem Schicksal zu überlassen und kümmern uns demnach mit vielen anderen tollen Menschen darum, die Szene der Stadt bunter zu machen und am Leben zu halten. Kommt doch einfach mal vorbei, um euch selbst ein Bild davon zu machen. Stay punk, stay fu**ed!
Lars/ FU**ED records
Weiterführende Informationen:
www.aaltra-chemnitz.de
www.ajz-chemnitz.de
www.atomino-chemnitz.de
www.klub.solitaer.de
Nikola-Tesla
www.subbotnik-chemnitz.de
Zukunft
www.fu**ed-records-company.site
www.itseleven-records.de
www.chemnitz-nazifrei.de
www.antifaschistischer-jugendkonkress.org
Nikola-Tesla
https://www.facebook.com/acsiebzehn/
https://subwaytopeter.de/
https://handinhand-chemnitz.de/start -in-hand
https://www.bandbuero-chemnitz.de/
https://fuegoalaisla.de/
https://www.spinnerei.me/
https://www.tu-chemnitz.de/stud/club/peb/2/
https://www.fpm-club.de/
https://www.kindervereinigung-chemnitz.de/jugendarbeit/kinder-und-jugendklub-b-plan/
https://underworld-records.de/
https://www.linke-aktivisten-vogtland.de/blog-e5366-Infoladen-quot-La-Bombonera-quot.html
https://www.cafe-taktlos.org/
http://barrikade-zwickau.blogspot.com/
https://www.projekt-schuldenberg.net/
https://initiative-mit-ideen.org/
Bands:
- Abyssous: https://abyssous.bandcamp.com/album/mesa
- Morbus Kinski: https://morbuskinski.bandcamp.com/album/idiocracy
- The Royal Booze Conspiracy: https://trbc.bandcamp.com/album/all-my-sins
- Spittin Bones: https://spittinbonespunk.bandcamp.com/album/generation-punk-shortened
- O.U.T.: https://o-u-t.bandcamp.com/album/come
- Victims of Classwar: https://victimsofclasswar.bandcamp.com/album/promo-2024
- Dyse: https://dyse.bandcamp.com/album/widergeburt
- Lousy: https://www.facebook.com/p/Lousy-100063491439668/
- Traffic Carpet: https://trafficcarpet.bandcamp.com/album/live-transit
- L'appel Du Vide: https://lappelduvideband.bandcamp.com/album/abw-rtsspirale
- Night Miasma: https://itselevenrecords.bandcamp.com/album/night-miasma-exhausted
- Suralin: https://suralin.bandcamp.com/track/motorik-album-version
- Mvrmansk: https://mvrmansk.bandcamp.com/album/mvrm-nsk